Stellen
sie sich vor, Sie kommen von einem anregenden
Opernabend, sagen wir Mozarts Cosi fan tutte, aus
dem Theater zurück und finden Ihre Wohnung ausgeräumt
vor. Nichts, aber auch gar nichts haben die Diebe
zurückgelassen. Nur der passende Schlüssel in der
Haustür beweist Ihnen, dass Sie sich nicht in der
Wohnung geirrt haben.
So beginnt Alan Bennetts geniale Geschichte über das in
die Jahre gekommene Ehepaar Ransome, das sich ohne ihre
gemeinsame Liebe zu Mozart bereits längst getrennt
hätte. Die Liebe ist der Sprachlosigkeit des Alltags
gewichen. Kinder haben sie keine, so bedeutet Mr.
Ransome seine Arbeit als Anwalt in einer Kanzlei alles
und seine Frau versucht sich mit dem Übermaß an
Freizeit zu arrangieren.
Doch nun stellt der Einbruch in ihre Wohnung alles
Gewohnte auf den Kopf. Dass, was sie einst verband, ist
verschwunden. Nicht einmal das Telefon, um die Polizei
zu rufen, ist noch vorhanden. Während Mr. Ransome sich
wohl oder übel auf die Suche nach einem öffentlichen
Münzfernsprecher begeben muss, versucht Mrs. Ransome
die neue Situation zu begreifen.
Nach Erledigung aller Formalitäten und einer
schlaflosen Nacht, hält es Mr. Ramsome für das
wichtigste, den eingefahrenen Bahnen seines Lebens zu
folgen und in die Kanzlei zu gehen, in der er als Anwalt
arbeitete. Mrs. Ransome hingegen entdeckt für sich die
vielen Geschäfte in der Nachbarschaft, die sie bislang
übersehen hatte bzw. wollte.
In einem kleinem Café beschließt sie eine Liste der
dringend anzuschaffenden Gegenstände aufzustellen, denn in ihrer
Wohnung gab es nichts mehr, worauf und womit man etwas
hätte schreiben können. Etwas ungewohnt in ihrer neuen
Rolle, nimmt sie bereitwillig den von der Bedienung
offerierten Daily Mirror entgegen, und verliert
sich alsbald in den Geschichten um die königliche
Familie. Niemals hätte sie gedacht, einmal in einem
Café zusammen mit Taxifahrern und Fahrradkurieren
Schinken, Eier, Baked Beans und Toast zum Frühstück zu
essen. Irgendwie gefiel ihr diese neue Situation, doch
war sie auch verwirrend, denn die Lektüre der Zeitung
lies sie ihren Einkaufszettel vergessen. So irrt sie in
den folgenden Stunden ziemlich planlos zwischen der
Hauptgeschäftsstrasse und ihrer Strasse umher, bis sie
alles dringend Benötigte beisammen hatte. Bis sie sich
in den alten Gemischtwarenladen wagte, der früher
einmal Miss Dorsey gehörte und einmal ein
Kurzwarengeschäft beherbergte. Statt der beabsichtigten
Schuhcreme verließ sie den Laden vollbepackt, so dass
der Inhaber, Mr. Anwar, seinen Sohn holen musste, um ihr
beim Tragen des Einkaufs behilflich zu sein.
Mit dem Notwendigsten ausgestattet, lebten die Ransomes
weiter ihr Leben oder versuchten es zumindest. Polizei
und Versicherung hielten sich mit neuen Erkenntnissen
über den Verbleib ihres Inventars bedeckt. Ihr Alltag
hätte beinahe das gewohnte Gleichmass erreicht, da
erreichte sie ein Brief der Firma Rasant -
Zuverlässige Umzüge & Lagerungen.
Alan Bennett, der zu den populärsten
zeitgenössischen Dramatikern Großbritanniens gehört,
hat mit der Geschichte Cosi fan tutte ein kleines
Meisterwerk typisch britischen Humors vorgelegt. Es ist
ein wahres Vergnügen, den teils skurrilen
Eigenwilligkeiten seiner Protagonisten und ihren
individuellen Lösungsstrategien des größten Rätsels
ihres Lebens zu folgen. Während Mrs. Ransome die neue
Situation erstaunlich gut meistert, verliert sich ihr
Mann in der Hoffnung, durch Betrug der Versicherung eine
neue Musikanlage zu erhalten.
Der Autor Bennett beweist, dass unterhaltsame und
geistreiche Literatur keiner Seitenzahlrekorde bedarf
und dass auch knapp 100 Seiten eine nachhaltige Lektüre
bieten können. ©Torsten Seewitz, 28.05.2003 |