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Alan Bennett
"Cosi fan tutte"
Aus dem Englischen von Brigitte Heinrich
Wagenbach Verlag Berlin 2003
91 S.; 11,90 Euro

Stellen sie sich vor, Sie kommen von einem anregenden Opernabend, sagen wir Mozarts Cosi fan tutte, aus dem Theater zurück und finden Ihre Wohnung ausgeräumt vor. Nichts, aber auch gar nichts haben die Diebe zurückgelassen. Nur der passende Schlüssel in der Haustür beweist Ihnen, dass Sie sich nicht in der Wohnung geirrt haben. 
So beginnt Alan Bennetts geniale Geschichte über das in die Jahre gekommene Ehepaar Ransome, das sich ohne ihre gemeinsame Liebe zu Mozart bereits längst getrennt hätte. Die Liebe ist der Sprachlosigkeit des Alltags gewichen. Kinder haben sie keine, so bedeutet Mr. Ransome seine Arbeit als Anwalt in einer Kanzlei alles und seine Frau versucht sich mit dem Übermaß an Freizeit zu arrangieren. 
Doch nun stellt der Einbruch in ihre Wohnung alles Gewohnte auf den Kopf. Dass, was sie einst verband, ist verschwunden. Nicht einmal das Telefon, um die Polizei zu rufen, ist noch vorhanden. Während Mr. Ransome sich wohl oder übel auf die Suche nach einem öffentlichen Münzfernsprecher begeben muss, versucht Mrs. Ransome die neue Situation zu begreifen.
Nach Erledigung aller Formalitäten und einer schlaflosen Nacht, hält es Mr. Ramsome für das wichtigste, den eingefahrenen Bahnen seines Lebens zu folgen und in die Kanzlei zu gehen, in der er als Anwalt arbeitete. Mrs. Ransome hingegen entdeckt für sich die vielen Geschäfte in der Nachbarschaft, die sie bislang übersehen hatte bzw. wollte. 
In einem kleinem Café beschließt sie eine Liste der dringend anzuschaffenden Gegenstände aufzustellen, denn in ihrer Wohnung gab es nichts mehr, worauf und womit man etwas hätte schreiben können. Etwas ungewohnt in ihrer neuen Rolle, nimmt sie bereitwillig den von der Bedienung offerierten Daily Mirror entgegen, und verliert sich alsbald in den Geschichten um die königliche Familie. Niemals hätte sie gedacht, einmal in einem Café zusammen mit Taxifahrern und Fahrradkurieren Schinken, Eier, Baked Beans und Toast zum Frühstück zu essen. Irgendwie gefiel ihr diese neue Situation, doch war sie auch verwirrend, denn die Lektüre der Zeitung lies sie ihren Einkaufszettel vergessen. So irrt sie in den folgenden Stunden ziemlich planlos zwischen der Hauptgeschäftsstrasse und ihrer Strasse umher, bis sie alles dringend Benötigte beisammen hatte. Bis sie sich in den alten Gemischtwarenladen wagte, der früher einmal Miss Dorsey gehörte und einmal ein Kurzwarengeschäft beherbergte. Statt der beabsichtigten Schuhcreme verließ sie den Laden vollbepackt, so dass der Inhaber, Mr. Anwar, seinen Sohn holen musste, um ihr beim Tragen des Einkaufs behilflich zu sein. 
Mit dem Notwendigsten ausgestattet, lebten die Ransomes weiter ihr Leben oder versuchten es zumindest. Polizei und Versicherung hielten sich mit neuen Erkenntnissen über den Verbleib ihres Inventars bedeckt. Ihr Alltag hätte beinahe das gewohnte Gleichmass erreicht, da erreichte sie ein Brief der Firma Rasant - Zuverlässige Umzüge & Lagerungen.
Alan Bennett, der zu den populärsten zeitgenössischen Dramatikern Großbritanniens gehört, hat mit der Geschichte Cosi fan tutte ein kleines Meisterwerk typisch britischen Humors vorgelegt. Es ist ein wahres Vergnügen, den teils skurrilen Eigenwilligkeiten seiner Protagonisten und ihren individuellen Lösungsstrategien des größten Rätsels ihres Lebens zu folgen. Während Mrs. Ransome die neue Situation erstaunlich gut meistert, verliert sich ihr Mann in der Hoffnung, durch Betrug der Versicherung eine neue Musikanlage zu erhalten. 
Der Autor Bennett beweist, dass unterhaltsame und geistreiche Literatur keiner Seitenzahlrekorde bedarf und dass auch knapp 100 Seiten eine nachhaltige Lektüre bieten können. ©Torsten Seewitz, 28.05.2003

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