Merkwürdig
und denkwürdig zugleich präsentiert sich der Umstand
der Veröffentlichung des im wörtlichen Sinn ersten und
letzten Buches von Truman Capote. Es gelingt nicht jedem
Schriftsteller sein Werk posthum mit einem literarischen
Debüt abzuschließen. So war es wohl auch nicht ein von
langer Hand geplanter Coup des Autors, der zu diesem
Umstand führte, sondern die späte Entdeckung eines in
einem Pappkarton verdammten Manuskripts. Verdammt
deshalb, weil Capote daran „irgendwas störte“, er
ihn als „dünn, clever und unempfunden“ ansah und um
1950 die Hausverwaltung beauftragte seine Wohnung samt
„Sommerdiebe“ - Karton zu räumen und an die Straße
zu stellen. Doch das Manuskript landete
nicht bei der Müllabfuhr, sondern (Jahre später) bei
Sotheby's.
Zum Inhalt: Eine Europareise, wie jedes Jahr, und dann
die Einführung in die Gesellschaft, so ist der Plan, so
soll es nach dem Willen der Mutter geschehen. Doch die
17jährige Grady will ihren Sommer in New York – und
bekommt ihn auch. Die Familie in einem Dampfer auf dem
Weg nach Europa, Grady allein zu Haus in der Fifth
Avenue. Es ist heiß und aus jeder Pore der Stadt wabert
das Leben. Sie verliebt sich, unstandesgemäß freilich,
in den jüdischen Parkplatzwächter Clyde. Gemeinsam mit
seinen Freunden ziehen sie durch die Straßen des
Unbekannten zwischen Sonnen- und Neonlicht auf dem Weg
das Neue möglich zu machen. Doch mit jedem
leidenschaftlichen Querfeldein entfernt sich Grady immer
mehr von ihrem bisherigen Leben und von sich selbst.
Oder ist das ihr Weg zu sich?
Die Geschichte von Grady und Clyde könnte in den
sanften Hügeln Cornwalls spielen, wäre sie um ein paar
kräftige Zutaten romantischer. Aber auch in einen öffentlich-rechtlichen
Vorabend will sie nicht recht passen, zu böse, zu
dramatisch. Es scheint somit als sei das Buch auch noch
zur verstaubten Existenz im heimischen Bücherregal
verdammt. Verdammt, wie in jenem vergessenen Pappkarton
- wären da nicht, vereinzelt, diese wunderbar,
unglaublich guten Sätze. Sie sind eine wohldosierte
Note Capote-Chili, die, trotz der flachen Story, das
Buch schließlich doch lesenswert machen. Thorsten Ukena,
06.08.2006
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