Von
vielen Experten wird die Nanotechnologie als die
zukünftige Technik des 21. Jahrhunderts angesehen. Mit
bloßem Auge nicht sichtbare Teilchen werden zu kleinen
Maschinen zusammengesetzt, die in der Lage sind, in
Bereiche vorzudringen, die mit bisherigen Technologien
unerreichbar waren. Alles Zukunftsmusik mag man
solchen Vorstellungen entgegenhalten, doch was wäre,
wenn diese Technik eines Tages doch real werden
würde.?
Diese Idee verfolgt Michael Crichton in seinem neuen
Roman "Beute" und lässt ein wahres
Horrorszenario von sich selbst reproduzierenden
Nanoteilchen entstehen.
Eigentlich war im Leben des Biotechnologen Jack alles in
Ordnung. Er hatte zwar seinen Job in einer Softwarefirma
verloren und war nun zum Hausmann berufen, doch störte
ihn dieser Zustand vorerst wenig. Bei seinen Kompetenzen
werde er schon bald neue Arbeit finden, dachte er. Seine
Frau Julia arbeitete äußerst engagiert für ein
Biotechniklabor, welches auf dem Weg war, eine für die
Medizin bahnbrechende Erfindung marktreif zu
produzieren. Winzige, aus Molekülen zusammengesetzte
Kameras sollten in den Körper eines Menschen injiziert
werden und sich bis in feinste Kapillaren vorarbeiten
können. Die Arbeit AN diesem Projekt war so geheim,
dass sich ihr Arbeitsplatz inmitten der Wüste befand.
Jack könnte stolz
auf seine Frau sein, würde sie sich nicht seit Tagen so eigenartig
verhalten. Erst vermutete Jack, dass sie ein Verhältnis
mit einem anderen Mann hätte. Doch er versuchte, sich
selbst zu beruhigen und den Tatsachen nicht allzu viel
Aufmerksamkeit beizumessen.
Sein Grübeln um das bedenkliche Verhalten seiner Frau
fand ein jähes Ende, als er einen Anruf aus seiner alten
Firma bekam, die ihn bat, wieder zurückzukehren, um bei
der Lösung eines schwierigen Problems behilflich zu
sein. Er wäre der einzige, der sich mit den
Programmcodes über das sogenannte
"Jäger-Beute-Verhalten" auskennen
würde. Erst widerstrebend, dann doch einlenkend, nahm Jack das
Angebot an, ohne zu wissen, auf was er sich einlassen
würde.
Wie er sehr schnell erfuhr, war sein Arbeitsort eben
jenes Biotechnik- Labor in der Wüste, in welchem auch seine Frau
arbeitete. Dessen Innenleben glich einem hochtechnisierten Gewächshaus,
was, wie er später erfuhr, in etwa den Tatsachen
entsprach, nur dass hier keine Pflanzen, sondern
Bakterien gezüchtet wurden, deren günstige
molekulare Struktur man ausnutzte, um Technologien im
Nanobereich zu erproben.
Vorerst entdeckte Jack nichts, was ihn beunruhigen
müsste, bis er erfuhr, dass eine größere Menge von
Nanoteilchen über Wochen hinweg durch die Lüftung in
die Umwelt gelangte und mittlerweile ein Art Eigenleben
entwickelt hat.
Und genau dieses Eigenleben galt es mit Hilfe von Jacks
Programmierfähigkeiten zu stoppen. Doch wie dies
geschehen sollte, davon hatte niemand eine Ahnung und
vielleicht es dafür auch schon zu spät.
Ein wenig erinnert Crichtons Roman an den
Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr
beeinflussen kann. Wie bereits in seinen vorherigen
Romanen "Jurassic Park" oder "Timeline"
vermischt Crichton gekonnt Fakten mit Fiktion und lässt
die Illusion entstehen, dass all das Beschriebene
jederzeit Wirklichkeit werden könnte oder sogar schon
ist.
Crichton ist ein Autor, der den Allmachtsgedanken mancher Wissenschaftler mit großer Skepsis
gegenübersteht und mahnend seine Stimme erhebt, jedoch
ohne plakativ zu moralisieren oder anzuprangern. Doch
erreicht er auf jeden Fall, seine Leser für die
Thematik zu sensibilisieren und gleichzeitig glänzend
zu unterhalten.
So betrachtet ist sein aktueller Roman "Beute"
ein bravourös erzähltes Stück Literatur, welches
einem, vor allen in den spannendsten Momenten, den Atem
anhalten lässt, Schauer über den Rücken jagt und die
Illusion provoziert, dass eben jene Nanoteilchen
gerade am eigenen Fenster vorbeigeschwirrt sind. ©
Torsten Seewitz, 24.01.2003 |