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Michael Cunningham
"Die Stunden" 
OT: "The Hours"
Aus dem Amerikanischen von Georg Schmidt

Luchterhand München 2000
 304 S., 20,40 Euro

Ein Angler in einer roten Jacke und ein trüber, bewölkter Himmel sollten die letzten Wahrnehmungen in ihrem Leben sein. Sie stürzt sich in die Fluten des Flusses, wird von seiner Strömung davongetragen. Schwerelos treibt sie im trüben Wasser, scheint zu fliegen. Sie ertrinkt.
So stellt sich Michael Cunningham den Freitod Virginia Woolfs vor; die letzten Minuten einer wundervollen Schriftstellerin, die das Leben, als der Wahnsinn Besitz von ihr ergriff, nicht mehr ertrug.
Mit „Die Stunden" hat der Luchterhand Verlag einen mehrfach preisgekrönten (Pulitzerpreis, PEN/
Faulkner-Award) Roman des amerikanischen Autors Michael Cunningham verlegt, der den Leser auf wunderbar poetische Weise in die Lebenswelten von drei Frauen entführt, die jede auf ihre Weise mit Mrs. Dalloway, der Protagonistin aus Virginia Woolfs gleichnamigen Roman, verbunden sind.
Neben Clarissa Vaughan, die im New York der späten Neunziger eine Party für ihren aidskranken Freund Richard vorbereitet und den Spitznamen Mrs Dalloway trägt, schildert Cunningham einen Tag im Leben von Laura Brown im Jahr 1949. Diese, glücklich verheiratet und Mutter eines Sohnes, ist mit Vorbereitungen für den Geburtstag ihres Mannes beschäftigt. Der Hausarbeit überdrüssig, flieht sie in ein Hotel, um ungestört „Mrs Dalloway" zu lesen.
Nicht zuletzt läßt Cunningham den Leser einen Tag im Dasein Virginia Woolfs erleben, die 1923 verzweifelt um den Anfang ihres Romans „Die Stunden" ringt und der später „Mrs. Dalloway" heißen wird.
Scheinbar parallel verlaufen die erzählten Lebenslinien der Figuren, durch nichts als Kleinigkeiten, eher zufälliger Natur, miteinander verbunden. Doch Cunningham versteht es meisterhaft, die drei Erzählebenen schrittweise ineinander fließen zu lassen, bis sie im letzten Kapitel eine Einheit ergeben.
Das Beeindruckende an Cunninghams Roman ist, mit welcher Leichtigkeit er von großen Themen wie Liebe, Tod und Freundschaft erzählt. Figuren und Handlungen wirken so real, daß man zum Ende des Romans das Gefühl hat, gute Freunde verlassen zu müssen.
© Torsten Seewitz, 16.05.2000

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