Als
1958 Slatan Dudow, der "Erfinder der proletarischen
Kinos", für seinen Film "Erfindung der
Liebe" per Zeitungsinserat eine weibliche
Darstellerin suchte, gehörte Angelica Domröse zu den
1500 Bewerberinnen. Nicht im Traum hätte sie daran
gedacht, ausgewählt zu werden, war sie doch im Jahr
zuvor an der Schauspielschule wegen "Unreife"
abgelehnt worden. Umso mehr überraschte es sie, als sie
von Dudow zu Probeaufnahmen eingeladen wurde und
letztendlich die Rolle der Sigi spielen durfte.
Nur zwei Jahre später, mittlerweile hatte Angelica Domröse
die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule bestanden,
sprach sie am legendären Berliner Ensemble bei Helene
Weigel vor. Die wusste ihr Talent zu schätzen und
stellte sie am Theater ein. Doch die anfängliche Freude
wich bald einer großen Ernüchterung. Nicht, dass sie
die ihr zugeteilten Nebenrollen störten. Nein, es war
vielmehr das Arbeitsklima am so bedeutenden BE, der Bühne
Brechts, welches geprägt war von Kälte und Neid. Vor
allem an den selbsternannten Brecht-Epigonen Manfred
Wekwerth, der in den Jahren ihres Engagements am Theater
immer mehr an Einfluss gewann,
hat sie keine gute Erinnerung.
Im Nachgang muss es erstaunen, wie Angelica Domröse die
Dreifachbelastung, Studium, Theater
und Film verkraftete, denn mittlerweile war sie zu einer
gefragten Schauspielerin geworden. Selbst auf
bedeutenden Filmfestspielen wie das Venedigs gehörte
sie mittlerweile zu den gern gesehenen Gästen. Nur in
den Augen der Parteiführung wurde sie kritischer
betrachtet. Als sie 1963 zu den Filmfestspielen nach
Moskau reisen durfte, wurde ihr ihre Vorliebe für die
Beiträge des amerikanischen Films zum Verhängnis - sie
musste auf Weisung der Parteioberen kurzfristig in die
DDR zurückkehren.
Obgleich sich Angelica Domröse über einen Mangel an
anspruchsvollen Rollenangeboten nicht beklagen konnte,
so spielte sie 1970 die Hauptrolle in „Effi Briest“,
gelang ihr der große Durchbruch erst 1973. Heiner Carow
suchte für die Verfilmung von Ulrich Plenzdorfs
Drehbuch „Die Legende von Paul und Paula“ eine
Hauptdarstellerin. Wer sollte geeigneter sein als ich,
dachte Angelica Domröse, doch Carow hatte sich einen
anderen Typ Frau vorgestellt. Mit viel Überzeugungsarbeit
gelang es ihr schließlich, den Regisseur zu überzeugen,
dass sie die Idealbesetzung sei. Dass Carow diese
Einsicht irgendwann teilte, sollte sich für einen Glücksfall
der DEFA-Filmgeschichte herausstellen. Der Film wurde zu
einer der erfolgreichsten Filmproduktionen, Paul und
Paula zum bekanntesten Liebespaar der DDR.
Von all dem erzählt Angelica Domröse in ihrer
Autobiographie „Ich fang mich selber ein“ äußerst
kurzweilig und frei von jedweden Eitelkeiten, die man
berühmten Schauspielerinnen gemeinhin nachsagt.
Zwar hat sie ihre Memoiren von der Tagesspiegel-Autorin
Kerstin Decker aufschreiben lassen, doch erweist sich
dies als Glücksfall, denn die Autorin versteht es
vortrefflich den unverkennbaren Domröse-Ton
wiederzugeben.
Das für die DDR-Künstler so verhängnisvolle Jahr 1976
sollte auch an der Schauspielerin nicht spurenlos, die
mittlerweile den berühmten Mimen Hilmar Thate
geheiratet hatte. Nach einer Protestresolution gegen die
Ausbürgerung Wolf Biermanns, die sie und ihr Mann
initiierten, merkten sie sehr bald, dass es schwierig
war, Verbündete im Kampf gegen die Willkür der
SED-Politiker unter Kollegen zu finden. Zu groß war
deren Angst, die Macht des Regimes zu spüren.
Für das Schauspielerehepaar wurde das Leben in der DDR
nach dieser Aktion unerträglich, so dass einzig die
Ausreise in den Westen blieb.
Es ist erschreckend zu lesen, mit welchem Gleichmut die
DDR-Regierung ihre besten Künstler gehen ließ. Nicht
nur Schauspieler auch Schriftsteller und Filmemacher
verließen das Land. Ein kultureller Exodus
sondergleichen.
Dank ihrer Professionalität und ihrem auch im Westen
erlangten Ruhm gelang es Angelica Domröse schnell sich
beruflich und privat im neuen Leben zurecht zu finden.
Heute, mit 62 Jahren blickt sie optimistisch in die
Zukunft. So vieles in ihrem Leben hat sie trotz mancher
Widrigkeiten bewältigt. „Jetzt fragen sie mich, ob
ich Oper inszenieren will.[...] Ich glaube ich werde Ja
sagen.“ Glanzvolle Aussichten! Torsten Seewitz,
22.07.2003
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