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Angelica Domröse
"Ich fang mich selbst ein"
Lübbe Bergisch Gladbach 2003
420 S.;19,90 Euro

Als 1958 Slatan Dudow, der "Erfinder der proletarischen Kinos", für seinen Film "Erfindung der Liebe" per Zeitungsinserat eine weibliche Darstellerin suchte, gehörte Angelica Domröse zu den 1500 Bewerberinnen. Nicht im Traum hätte sie daran gedacht, ausgewählt zu werden, war sie doch im Jahr zuvor an der Schauspielschule wegen "Unreife" abgelehnt worden. Umso mehr überraschte es sie, als sie von Dudow zu Probeaufnahmen eingeladen wurde und letztendlich die Rolle der Sigi spielen durfte.
Nur zwei Jahre später, mittlerweile hatte Angelica Domröse die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule bestanden, sprach sie am legendären Berliner Ensemble bei Helene Weigel vor. Die wusste ihr Talent zu schätzen und stellte sie am Theater ein. Doch die anfängliche Freude wich bald einer großen Ernüchterung. Nicht, dass sie die ihr zugeteilten Nebenrollen störten. Nein, es war vielmehr das Arbeitsklima am so bedeutenden BE, der Bühne Brechts, welches geprägt war von Kälte und Neid. Vor allem an den selbsternannten Brecht-Epigonen Manfred Wekwerth, der in den Jahren ihres Engagements am Theater immer mehr an Einfluss gewann,  hat sie keine gute Erinnerung.
Im Nachgang muss es erstaunen, wie Angelica Domröse die Dreifachbelastung, Studium, Theater und Film verkraftete, denn mittlerweile war sie zu einer gefragten Schauspielerin geworden. Selbst auf bedeutenden Filmfestspielen wie das Venedigs gehörte sie mittlerweile zu den gern gesehenen Gästen. Nur in den Augen der Parteiführung wurde sie kritischer betrachtet. Als sie 1963 zu den Filmfestspielen nach Moskau reisen durfte, wurde ihr ihre Vorliebe für die Beiträge des amerikanischen Films zum Verhängnis - sie musste auf Weisung der Parteioberen kurzfristig in die DDR zurückkehren.
Obgleich sich Angelica Domröse über einen Mangel an anspruchsvollen Rollenangeboten nicht beklagen konnte, so spielte sie 1970 die Hauptrolle in „Effi Briest“, gelang ihr der große Durchbruch erst 1973. Heiner Carow suchte für die Verfilmung von Ulrich Plenzdorfs Drehbuch „Die Legende von Paul und Paula“ eine Hauptdarstellerin. Wer sollte geeigneter sein als ich, dachte Angelica Domröse, doch Carow hatte sich einen anderen Typ Frau vorgestellt. Mit viel Überzeugungsarbeit gelang es ihr schließlich, den Regisseur zu überzeugen, dass sie die Idealbesetzung sei. Dass Carow diese Einsicht irgendwann teilte, sollte sich für einen Glücksfall der DEFA-Filmgeschichte herausstellen. Der Film wurde zu einer der erfolgreichsten Filmproduktionen, Paul und Paula zum bekanntesten Liebespaar der DDR.
Von all dem erzählt Angelica Domröse in ihrer Autobiographie „Ich fang mich selber ein“ äußerst kurzweilig und frei von jedweden Eitelkeiten, die man berühmten Schauspielerinnen gemeinhin nachsagt.
Zwar hat sie ihre Memoiren von der Tagesspiegel-Autorin Kerstin Decker aufschreiben lassen, doch erweist sich dies als Glücksfall, denn die Autorin versteht es vortrefflich den unverkennbaren Domröse-Ton wiederzugeben.
Das für die DDR-Künstler so verhängnisvolle Jahr 1976 sollte auch an der Schauspielerin nicht spurenlos, die mittlerweile den berühmten Mimen Hilmar Thate geheiratet hatte. Nach einer Protestresolution gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, die sie und ihr Mann initiierten, merkten sie sehr bald, dass es schwierig war, Verbündete im Kampf gegen die Willkür der SED-Politiker unter Kollegen zu finden. Zu groß war deren Angst, die Macht des Regimes zu spüren.
Für das Schauspielerehepaar wurde das Leben in der DDR nach dieser Aktion unerträglich, so dass einzig die Ausreise in den Westen blieb.
Es ist erschreckend zu lesen, mit welchem Gleichmut die DDR-Regierung ihre besten Künstler gehen ließ. Nicht nur Schauspieler auch Schriftsteller und Filmemacher verließen das Land. Ein kultureller Exodus sondergleichen.
Dank ihrer Professionalität und ihrem auch im Westen erlangten Ruhm gelang es Angelica Domröse schnell sich beruflich und privat im neuen Leben zurecht zu finden.
Heute, mit 62 Jahren blickt sie optimistisch in die Zukunft. So vieles in ihrem Leben hat sie trotz mancher Widrigkeiten bewältigt. „Jetzt fragen sie mich, ob ich Oper inszenieren will.[...] Ich glaube ich werde Ja sagen.“ Glanzvolle Aussichten! Torsten Seewitz, 22.07.2003

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