In
einem Interview mit "L'opinion" äußerte Anna
Gavalda, dass die Kritik ihr neues Buch nicht
verschonen werde. Ihre Vermutung bestätigte sich, denn
kurz nach Erscheinen des Romans "Zusammen ist man
weniger allein" (OT: "Ensemble, c'est
tout") wurden ihre Protagonisten als zu gut und
damit als unglaubwürdig bezeichnet. Doch Gavalda wollte
nach zwei eher "düsteren Büchern" etwas
positives schreiben. So hat sie alle Zutaten für eine
eingängige und durchschaubare Handlung, wie gegensätzliche
Charaktere und soziale Unterschiede ihrer Figuren,
zusammengetan und eine angenehm leichte Lesekost
geschaffen.
Es sind schon eigenwillige Personen, die Gavalda
aufeinandertreffen lässt. Da ist zum einen Camille,
erfolgreiche Kunsthochschulabsolventin, jetzt als
Putzfrau tätig und magersüchtig, die eine karge und
kalte Dachkammer in einem Mietshaus bewohnt und zum
anderen Philibert, der schüchterne Sproß verarmten
Adels, geschichtsbesessen und einsam in einer 300
Quadratmeter großen Wohnung im gleichen Haus lebend.
Einsam stimmt nicht ganz, denn ein Untermieter teilt
sich mit ihm den mehr als reichlichen Wohnraum.
Franck heißt er und arbeitet bis zur Selbstaufgabe als
Koch in einem Gourmetrestaurant. Irgendwie funktioniert
diese Zweier-WG, obwohl beide von ihren Lebensentwürfen
her nicht unterschiedlicher sein könnten.
Man ahnt es fast, denn was dieser Männer-WG fehlt, ist
eine Frau. Doch trotz dieser Vorahnungen wird das Lesen
nicht langweilig, denn Gavalda inszeniert ihr
Kammerspiel geschickt. Auf welchem Weg Camille zu
Philbert und Frank gelangt, muss jeder selbst lesen. Es
sei aber soviel verraten: es bleibt nicht bei dieser
einen Frau, denn da ist noch Paulette, die Großmutter
Francks, unglücklich in einem Altenheim lebend.
Dass Anna Gavalda erzählen kann, hat sie bereits mit
„Ich wünschte mir, dass irgend jemand auf mich
wartet“ und „Ich habe sie geliebt“ bewiesen.
Doch entgegen der eingangs erwähnten Kritik, verspricht
auch ihr aktueller Roman ungetrübten Lesegenuss,
vorausgesetzt, man verabschiedet sich vom
Schubladendenken.
„Zusammen ist man weniger allein“, übrigens eine
dem Romaninhalt entsprechende Titelgebung, ist wie ein
Erzählmotto anzusehen. Alles dreht sich um die Angst
allein zu sein oder zu bleiben, in einer Welt, die diese
Sehnsucht zu ignorieren scheint. Gavalda entwirft einen
Mikrokosmos, in dem zwischenmenschliche Kälte keinen
Platz findet. Gekonnt umschifft sie dabei die Klippen
des Seichten und Belanglosen, und zeichnet ihre Figuren
so liebevoll, dass sie einem ohne Weiteres ans Herz
wachsen.
Erstaunlich ist, dass der Roman über weite Strecken
durch seine Figuren und weniger durch seine Handlung
lebt. Gavalda ergötzt sich nicht an epische breiten
Beschreibungen, sondern bevorzugt die Dialogform. So
entsteht eine ganz eigene, intensive Atmosphäre.
Zugegeben, bei über 500 Seiten gibt es auch schwache
Stellen, doch sind diese marginal. Vielmehr bleibt am
Ende der Wunsch, dieser Roman möge nicht enden.
Torsten Seewitz, 09.03.05 |