Bereits im vergangenen Jahr veröffentlichte der Deutschen
Taschenbuchverlag den mit dem National Book Award und PEN/Faulkner Ward
ausgezeichneten Roman „Warten“ des amerikanisch-chinesischen Autos Ha
Jin in einer deutschen Erstausgabe. Vor wenigen Wochen erschien nun ein früheres
Werk des Autors mit dem Titel „Im Teich“, eine bissige Satire auf die
politischen Zustände im kommunistischen
China.
Ha Jin erzählt die Geschichte des kleinen unbedeutenden Arbeiters Shao
Bin, der mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter unter armseligen Verhältnissen
in einem Zimmer hausen muss, während es sich die Partei- und
Betriebsoberen im geräumigen Wohnungen bequem machen.
Als Bin bei der Wohnungsvergabe wiederholt nicht berücksichtigt
wurde, besinnt er sich seiner künstlerischen Fähigkeiten und prangert
mit einer Karikatur die korrupten Betriebs- und Parteifunktionäre in der
regionalen Zeitung an. Was bei seinen Kollegen allgemeine Erheiterung und
Anerkennung für den Mut Shao Bins hervorrief, ließ die Oberen ob dieser
öffentlichen Anklage erzürnen.
Ein ungleicher Machtkampf beginnt, doch lässt sich Bin von den
Drohgebaren der Parteifunktionäre nicht einschüchtern. Im Gegenteil,
denn ihre Wut und Engstirnigkeit spornen
ihn zu weiterer Kritik und Anprangerung der Missstände in der Düngefabrik
„Ernteglück“ an. Eine
neue Karikatur schickte er dieses Mal an eine überregionale Zeitung, die
diese wider Erwarten auch prompt veröffentlichte.
Die Wellen schlagen immer höher und der Streit scheint zu eskalieren.
Doch Bin lässt sich nicht einschüchtern, und obgleich seine
Vorgesetzten keine Gelegenheit auslassen, ihn als Geisteskranken
hinzustellen, findet seine Geschichte immer mehr Zuhörer. Letzten Endes
bekunden sogar Journalisten aus der weit entfernten Hauptstadt Beijing ihr
Interesse, Shao Bin in seinem Kampf gegen die korrupten Beamten in der
Provinz zu unterstützen.
Es ist ein besonderes Vergnügen, diese Geschichte des Shao Bin zu lesen,
der es allein mit Kreativität und Mut vermag, die selbstherrliche Welt
seiner Vorgesetzten zum Wanken zu bringen.
Mit seinem Roman „Im Teich“ zeichnet Ha Jin ein genaues Abbild der spätkommunistischen
Gesellschaft Chinas mit all ihrer selbstherrlichen und verbrecherischen
Auswüchsen. Und vielleicht nimmt gerade die satirische Überzeichnung der
Charaktere etwas von ihrem realen Schrecken.
©Torsten Seewitz,
19.11.2001
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