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Helmut Kuhn
"Nordstern"
marebuchverlag Hamburg 2002
256 S.; 19,90 Euro

Schreiben kann Therapie sein, vor allem wenn es darum geht, traumatische Erlebnisse aufzuarbeiten. So macht der Journalist Helmut Kuhn auch kein Geheimnis daraus, dass sein erster Roman „Nordstern“ den Verlust seines Vaters thematisiert.
Als 1977 die Yacht „Nordstern IV“ auf dem Weg von Antigua in die Karibik bei ruhiger See spurlos verschwand, erinnert sich der Erzähler des Romans , Max Kreuzberg, dass er damals 15jährig bereits spürte, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Unter den vermutlich Verschollenen befand sich sein Vater Dr. Maximilian Kreuzberg, von dem seit dieser Zeit jedwedes Lebenszeichen fehlt. Ebenso verliert sich die Spur der anderen Crewmitglieder der Segelyacht im Dickicht der Mutmaßungen, die sogar Mord nicht ausschließen. Die Yacht tauchte seitdem immer wieder als Phantom auf. 
Max Kreuzberg versuchte den Schmerz des Verlusts zu verdrängen, stürzte sich in ein ausschweifendes Leben in New York und sprach mehr und mehr dem Alkohol zu. Doch nichts half, seine Erinnerungen waren stärker und ließen immer wieder albtraumhafte Bilder aufsteigen. Und immer wieder die Hoffnung, dass er vielleicht doch noch lebt, nur ausgestiegen war, um sein Leben zu leben.
Erst als ihn der deutsche Kriminalbeamte Nicodemus Merbach mit dem Tod seines Vaters konfrontiert, erwacht er aus seinem Traum und kehrt nach Deutschland zurück. Merbach kann und will die Akten nicht ruhen lassen und er hat in den Jahren seiner Ermittlungstätigkeit bereits so manches bislang übersehene Detail aufgespürt. Max Kreuzberg schöpft neue Hoffnung. Von dem Journalisten Henry Dreher erhält er das umfangreiche Recherchematerial, welches er für einen Artikel über das Verschwinden der „Nordstern“ zusammengetragen hat.
Nahezu fest steht, dass die „Nordstern“ nach dem Unglück in der Karibik weiterhin mit einem Ehepaar an Bord gesehen wurde. Ob dies der Skipper Manfred Lehmann und seine Frau waren, konnte jedoch niemand mit absoluter Sicherheit sagen.
So muss letztendlich die Suche Max’ Kreuzbergs ergebnislos bleiben, denn Aufschluss darüber, was mit seinem Vater geschah, erhielt er nicht.
Überaus geschickt kombiniert Helmut Kuhn in seinem Roman seine eigene Lebensgeschichte mit der fiktionalen Ebene eines Romans. In klaren Bildern und mit einer präzisen Sprache versucht er dem Trauma des Verlusts nachzuspüren und lässt den Leser somit an seinem Selbstfindungsprozess Anteil haben. Die Kunstform des Romans verschafft Kuhn die notwendige Distanz, um sich seiner Selbst bewusst zu werden. Der Autor unternimmt den Versuch, den Menschen hinter der Figur des Vaters zu zeigen, fernab jeder idealisierender Blindheit, die der Verlust dieser für ihn so wichtigen Identifikationsfigur mit sich brachte.
Neben der spannenden Detektivgeschichte des wahren Schicksals der „Nordstern“ ist Helmut Kuhn mit seinem Debüt ein spannendes Stück Literatur gelungen, welches das Trauma des Verlusts künstlerisch eindrucksvoll thematisiert. Torsten Seewitz, 06.09.2003

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