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Henning Mankell
"Die rote Antilope"

Aus dem Schwedischen von Verena Reichel
Zsolnay Verlag München 2001
380 S., 21,50 Euro

Nach "Der Chronist der Winde" hat der Zsolnay Verlag in diesem Herbst ein weiteres Buch Henning Mankells mit dem Titel "Die rote Antilope" vorgelegt, in dessen Mittelpunkt das Schicksal eines afrikanischen Kindes steht. Neben den Romanen um Kommissar Wallander widmet sich Mankell  mittlerweile verstärkt der Geschichte seiner afrikanischen Wahlheimat.
In "Die rote Antilope" führt Mankell den Leser in das ausgehende 19. Jahrhundert, einer Zeit in der die Kolonisierung Afrika ihren Höhepunkt erreichte.
Hans Bengler, ein gescheiterter schwedischer Student und Abenteurer, begibt sich auf eine Forschungsreise mit ungewissem Ausgang, denn er erhofft ein in Europa noch unbekanntes Insekt zu finden, um mit dieser Entdeckung berühmt zu werden. Doch statt des Insektes findet Bengler bei einem Großwildjäger in der Kalahariwüste einen kleinen eingeschüchterten Jungen. Seine Familie sei von deutschen Wilderern erschossen worden, erfuhr er und beschloss, von plötzlichen Vatergefühlen übermannt, den Jungen mit nach Schweden zu nehmen.
In der Kälte des europäischen Nordens angekommen, hat Bengler Schwierigkeiten, seinen Landsleuten zu erklären, weshalb er sich des schwarzen Jungen angenommen habe. Für seine naive Großherzigkeit erntet er in der Heimat nichts als Spott und Misstrauen. Und auch der erhoffte Erfolg, als großer Forscher anerkannt zu werden, bleibt aus. Alle Bemühungen des vermeintlichen Vaters, dem Jungen, den er in der Zwischenzeit auf den Namen Daniel taufte, ein neues Zuhause zu geben und an die europäische Zivilisation zu gewöhnen, scheitern ebenso kläglich.
Mankell erzählt seine Geschichte nicht nur aus der Perspektive Benglers, sondern wechselt ebenso in die Gedankenwelt des Jungen. In seinen Träumen wünscht sich dieser nichts sehnlicher, als auf dem Wasser gehend, zurück zu seiner Familie zu gelangen, um die rote Antilope wiederzusehen, die sein Vater in den Fels geritzt hatte.
Als Bengler eines Tages, eines schrecklichen Verbrechens verdächtigt, aus Schweden flieht schwinden auch die letzten Hoffnungen des Jungen, wieder in seine Heimat zurückkehren zu können. Diese ungestillte Sehnsucht Daniels nach seiner Familie treibt ihn in die Nähe des Wahnsinns, und statt der erhofften Erlösung steigerte sich seine Situation ins Ausweglose.
Beim Lesen des Romans fällt auf, dass Mankell unbestritten spannend und bildreich erzählen kann, doch bleiben in seinem aktuellen Buch die Protagonisten relativ blass. Eigentlich müsste das erzählte Schicksal des kleinen Jungen betroffen machen, doch im Vergleich zum "Chronisten der Winde" wirkt die Handlung sehr konstruiert und in dieser Konstruktion oberflächlich. Zwar unternimmt Mankell den Versuch, die Sehnsüchte und Ängste des Jungen plausibel zu schildern, jedoch gelingt ihm dies wenig überzeugend.
So hinterlässt "Die rote Antilope" nach der Lektüre ein unbestimmtes Gefühl der Leere. Eine an sich spannende Geschichte verschwindet im Nebel des Ungesagten. 
©Torsten Seewitz, 31.10.2001

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