Nach
"Der Chronist der Winde" hat der Zsolnay Verlag
in diesem Herbst ein weiteres Buch Henning Mankells mit
dem Titel "Die rote Antilope" vorgelegt, in
dessen Mittelpunkt das Schicksal eines afrikanischen
Kindes steht. Neben den Romanen um Kommissar Wallander
widmet sich Mankell mittlerweile verstärkt der
Geschichte seiner afrikanischen Wahlheimat.
In "Die rote Antilope" führt Mankell den Leser
in das ausgehende 19. Jahrhundert, einer Zeit in der die
Kolonisierung Afrika ihren Höhepunkt erreichte.
Hans Bengler, ein gescheiterter schwedischer Student und
Abenteurer, begibt sich auf eine Forschungsreise mit
ungewissem Ausgang, denn er erhofft ein in Europa noch
unbekanntes Insekt zu finden, um mit dieser Entdeckung berühmt
zu werden. Doch statt des Insektes findet Bengler bei
einem Großwildjäger in der Kalahariwüste einen kleinen
eingeschüchterten Jungen. Seine Familie sei von deutschen
Wilderern erschossen worden, erfuhr er und beschloss, von
plötzlichen Vatergefühlen übermannt, den Jungen mit
nach Schweden zu nehmen.
In
der Kälte des europäischen Nordens angekommen, hat
Bengler Schwierigkeiten, seinen Landsleuten zu erklären,
weshalb er sich des schwarzen Jungen angenommen habe. Für
seine naive Großherzigkeit erntet er in der Heimat nichts
als Spott und Misstrauen. Und auch der erhoffte Erfolg,
als großer Forscher anerkannt zu werden, bleibt aus. Alle
Bemühungen des vermeintlichen Vaters, dem Jungen, den er
in der Zwischenzeit auf den Namen Daniel taufte, ein neues
Zuhause zu geben und an die europäische Zivilisation zu
gewöhnen, scheitern ebenso kläglich.
Mankell erzählt seine Geschichte nicht nur aus der
Perspektive Benglers, sondern wechselt ebenso in die
Gedankenwelt des Jungen. In seinen Träumen wünscht sich
dieser nichts sehnlicher, als auf dem Wasser gehend, zurück
zu seiner Familie zu gelangen, um die rote Antilope
wiederzusehen, die sein Vater in den Fels geritzt hatte.
Als Bengler eines Tages, eines schrecklichen Verbrechens
verdächtigt, aus Schweden flieht schwinden auch die
letzten Hoffnungen des Jungen, wieder in seine Heimat zurückkehren
zu können. Diese ungestillte Sehnsucht Daniels nach
seiner Familie treibt ihn in die Nähe des Wahnsinns, und
statt der erhofften Erlösung steigerte sich seine
Situation ins Ausweglose.
Beim Lesen des Romans fällt auf, dass Mankell
unbestritten spannend und bildreich erzählen kann, doch
bleiben in seinem aktuellen Buch die Protagonisten relativ
blass. Eigentlich müsste das erzählte Schicksal des
kleinen Jungen betroffen machen, doch im Vergleich zum
"Chronisten der Winde" wirkt die Handlung sehr
konstruiert und in dieser Konstruktion oberflächlich.
Zwar unternimmt Mankell den Versuch, die Sehnsüchte und
Ängste des Jungen plausibel zu schildern, jedoch gelingt
ihm dies wenig überzeugend.
So hinterlässt "Die rote Antilope" nach der
Lektüre ein unbestimmtes Gefühl der Leere. Eine an sich
spannende Geschichte verschwindet im Nebel des Ungesagten.
©Torsten Seewitz, 31.10.2001 |