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Kazua Ishiguro
"Alles, was wir geben mussten"
Aus dem Englischen von Barbara Schaden
Blessing Verlag München 2005
348 S.; 19,90 Euro

Es ist eine auf den ersten Blick idyllische Welt, von der Kazuo Ishiguro die einundreißigjährige Kathy in seinem jüngsten Roman "Alles, was wir geben mußten" erzählen lässt. Seit nunmehr elf Jahren arbeitet sie als Betreuerin. Sie macht diesen Job seit elf Jahren und SIE sind mit ihr zufrieden. Mehr erfährt der Leser auf der ersten Seite des Buches nicht, auch nicht auf den nächsten hundert Seiten.
Denn Kathy erinnert sich an eine Welt, die in weit entfernter Vergangenheit zu liegen scheint. In ihrer Rückschau lässt sie die Welt von Hailsham auferstehen, einem Internat verborgen hinter großen Pappeln irgendwo in England. Voller Wehmut denkt sie an den jähzornigen Tommy zurück und an ihre Freundin Ruth.
Man könnte meinen, Ishiguro erzähle eine klassische Schulgeschichte, wären da nicht irritierende Worte wie "spenden" oder "abschließen", die den Fluß des in einer beeindruckend klaren und dennoch poetischen Sprache erzählten Romans unterbrechen.
Angetrieben von der Neugier, was diese Worte zu bedeuten haben, führt Ishiguro den Leser in eine monströse Welt, die jedoch nicht in ferner Zukunft liegt, sondern wie zu Beginn des Romans vermerkt, im England des 20. Jahrhunderts.
Nach und nach werden die Anspielungen immer deutlicher, bis sie letztendlich in der Erkenntnis münden, dass Kathy, Tommy, Ruth und die anderen Mädchen und Jungen des Internats Klone sind, einzig zu dem Zweck auf der Welt, ihre Organe zu spenden bis sie "abschließen".
Ishiguro spielt mit der Naivität des Lesers und lässt ihn lange Zeit in dem Glauben, die Lebensgeschichte ganz normaler Jugendlicher zu verfolgen. Doch würde die bloße Reduzierung des Romans auf diese Irreführung ihm nicht gerecht werden. Vielmehr provoziert Ishiguro die Frage nach dem eigentlichen Wesen des Menschen und was ihn von seinen genetisch identischen Abbildern, sofern es diese irgendwann geben wird, unterscheidet.
Ohne Einschränkung kann man "Alles, was wir geben mussten" als einen sensationellen Roman bezeichnen, der gerade durch den Gegensatz der Ungeheuerlicheit des Erzählten und der Poetik seiner Sprache einen besonderen Reiz erhält. Torsten Seewitz, 20.11.2005

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