Als Edmond Music, katholischer Priester und Rektor des
kirchlichen Forschungsinstituts Beal Hall, in Paris weilend, aus
einer englischen Zeitung von seinem Tod in der Heimat erfuhr,
versetzte ihm das keinen so großen Schrecken. Vielmehr hatte er
damit zu tun, seine irische Haushälterin Maude Moriarty und
heimliche Geliebte, die dem Alkohol sehr zugetan war, von seiner
Lebendigkeit zu überzeugen, denn sie wähnte ihn schon im
Himmel. "Ist das der himmlische Chor, was ich da
höre?", fragte sie am Telefon, doch es war nur Edith Piaf
mit "Milord", die aus der im Café stehenden Jukebox
ertönte.
Mit solcherlei Wortwitz begeistert Alan Isler in seinem
jüngsten Roman "Klerikale Irrtümer" über 360
Seiten. Islers neuen Roman bevölkert eine illustre Schar
skurriler Figuren, die jedoch durchweg ihre Probleme mit dem
Glauben und der Moral haben. Allen voran Edmond, der
katholischer Priester nur deshalb wurde, weil man ihm diesen
Glauben anbot. Er stülpte ihn sich über "wie ein Gewand
im buchstäblichen wie übertragenden Sinne", denn
eigentlich stammte er aus einer jüdischen, ehemals in Ungarn
beheimateten, Familie. Seine Mutter kam nach Auschwitz und
seinen Vater hat er nach dem Krieg aus den Augen verloren.
Dass er Rektor von Beal Hall wurde, verdankte er einer
leidenschaftlichen Affäre mit einer reichen Frau. In der
Abgeschiedenheit des kirchlichen Forschungsinstitutes hatte er genügend
Zeit, sich seinen Studien des Lebens eines gewissen Solomon
Reuben Hayyin Falsch, Kabbalist, Zauberer, Schlitzohr und
Gelegenheitsabenteurer, hinzugeben, der ebenso wie Edmond im
ungarischen Dunaharaszti geboren wurde. Natürlich tat er dies
nur dann, wenn er nicht gerade seine Haushälterin Maude
verführte, die so ganz und gar nicht dem Klischee einer
ergebenen Frau entsprach und die bereits in jungen Jahren Texte
aus dem Lateinischen übersetzte und unter Pseudonym
erfolgreiche Liebesromane schreibt.
Der idyllische Landsitz Beal Hall war bekannt für seine
umfangreiche Gemäldesammlung und seine prachtvollen Bibliothek
mit seltenen Büchern. Da fiel es nicht auf, wenn einfach ein
Buch weniger im Regal stand. Denn um an Geld zu kommen,
schreckte Edmond Music nicht davor zurück, eine vermeintliche
Shakespeare - Erstausgabe einem befreundeten Antiquar zum Kauf
anzubieten. Ein großer Fehler, wie sich herausstellen sollte,
denn als das Buch in einem Antiquariatskatalog auftauchte,
meldet sich seine alter Studienkollege und Feind, der
amerikanische Professor Fred Twombly, zurück, der nichts weiter
im Sinn führte, als Edward diese Straftat mit allen Mitteln
nachzuweisen.
Als wären die Nachstellungen Twomblys für ihn nicht schon
belastend genug, trennte sich seine geheime Geliebte Maude, des
jahrelangen Versteckspielens leid, von ihm. Ein Verlust, der
Edmond hart trifft und der dennoch die Hoffnung in ihm keimen
lässt, dass Maude eines Tages zurückkehrt.
Nach all dem Feuerwerk an spritzigen Dialogen und kuriosen
Verstrickungen erhält "Klerikale Irrtümer" letzten
Ende eine fast wehmütig stimmende Dimension, die die Einsamkeit
von Edmond zeigt. Nichts ist ihm geblieben, weder Freunde noch
seine einzige Liebe Maude.
Alan Isler hat mit seinem Roman einen wunderbar lebensprallen
Kosmos skurriler Gestalten erschaffen, die alle auf der Suche
nach Liebe und Anerkennung sind und ihre wahre Natur
scheinheilig verbergen. "Klerikale Irrtümer" ist ein
unbedingt empfehlenswertes Buch über den Schein und das Sein
des Lebens. Es ist auch ein Buch voller Lebensweisheit, nach
dessen Lektüre man erfrischt wie nach einem Frühlingsregen ins
Leben tritt. ©Torsten Seewitz, 28.03.2002 |