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Alan Isler
"Klerikale Irrtümer"
Aus dem Englischen von Stefanie Schaffer-de Vries
Berlin Verlag Berlin 2002
367 S., 19,90 Euro

Als Edmond Music, katholischer Priester und Rektor des kirchlichen Forschungsinstituts Beal Hall, in Paris weilend, aus einer englischen Zeitung von seinem Tod in der Heimat erfuhr, versetzte ihm das keinen so großen Schrecken. Vielmehr hatte er damit zu tun, seine irische Haushälterin Maude Moriarty und heimliche Geliebte, die dem Alkohol sehr zugetan war, von seiner Lebendigkeit zu überzeugen, denn sie wähnte ihn schon im Himmel. "Ist das der himmlische Chor, was ich da höre?", fragte sie am Telefon, doch es war nur Edith Piaf mit "Milord", die aus der im Café stehenden Jukebox ertönte. 
Mit solcherlei Wortwitz begeistert Alan Isler in seinem jüngsten Roman "Klerikale Irrtümer" über 360 Seiten. Islers neuen Roman bevölkert eine illustre Schar skurriler Figuren, die jedoch durchweg ihre Probleme mit dem Glauben und der Moral haben. Allen voran Edmond, der katholischer Priester nur deshalb wurde, weil man ihm diesen Glauben anbot. Er stülpte ihn sich über "wie ein Gewand im buchstäblichen wie übertragenden Sinne", denn eigentlich stammte er aus einer jüdischen, ehemals in Ungarn beheimateten, Familie. Seine Mutter kam nach Auschwitz und seinen Vater hat er nach dem Krieg aus den Augen verloren. 
Dass er Rektor von Beal Hall wurde, verdankte er einer leidenschaftlichen Affäre mit einer reichen Frau. In der Abgeschiedenheit des kirchlichen Forschungsinstitutes hatte er genügend Zeit, sich seinen Studien des Lebens eines gewissen Solomon Reuben Hayyin Falsch, Kabbalist, Zauberer, Schlitzohr und Gelegenheitsabenteurer, hinzugeben, der ebenso wie Edmond im ungarischen Dunaharaszti geboren wurde. Natürlich tat er dies nur dann, wenn er nicht gerade seine Haushälterin Maude verführte, die so ganz und gar nicht dem Klischee einer ergebenen Frau entsprach und die bereits in jungen Jahren Texte aus dem Lateinischen übersetzte und unter Pseudonym erfolgreiche Liebesromane schreibt. 
Der idyllische Landsitz Beal Hall war bekannt für seine umfangreiche Gemäldesammlung und seine prachtvollen Bibliothek mit seltenen Büchern. Da fiel es nicht auf, wenn einfach ein Buch weniger im Regal stand. Denn um an Geld zu kommen, schreckte Edmond Music nicht davor zurück, eine vermeintliche Shakespeare - Erstausgabe einem befreundeten Antiquar zum Kauf anzubieten. Ein großer Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn als das Buch in einem Antiquariatskatalog auftauchte, meldet sich seine alter Studienkollege und Feind, der amerikanische Professor Fred Twombly, zurück, der nichts weiter im Sinn führte, als Edward diese Straftat mit allen Mitteln nachzuweisen. 
Als wären die Nachstellungen Twomblys für ihn nicht schon belastend genug, trennte sich seine geheime Geliebte Maude, des jahrelangen Versteckspielens leid, von ihm. Ein Verlust, der Edmond hart trifft und der dennoch die Hoffnung in ihm keimen lässt, dass Maude eines Tages zurückkehrt. 
Nach all dem Feuerwerk an spritzigen Dialogen und kuriosen Verstrickungen erhält "Klerikale Irrtümer" letzten Ende eine fast wehmütig stimmende Dimension, die die Einsamkeit von Edmond zeigt. Nichts ist ihm geblieben, weder Freunde noch seine einzige Liebe Maude. 
Alan Isler hat mit seinem Roman einen wunderbar lebensprallen Kosmos skurriler Gestalten erschaffen, die alle auf der Suche nach Liebe und Anerkennung sind und ihre wahre Natur scheinheilig verbergen. "Klerikale Irrtümer" ist ein unbedingt empfehlenswertes Buch über den Schein und das Sein des Lebens. Es ist auch ein Buch voller Lebensweisheit, nach dessen Lektüre man erfrischt wie nach einem Frühlingsregen ins Leben tritt. ©Torsten Seewitz, 28.03.2002

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