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Henry James 
"Die Aspern-Schriften"
Aus dem Englischen von Bettina Blumenberg
Deutscher Taschenbuch Verlag 2005
202 S.; 8,50 Euro

Als Henry James’ Roman „Die Aspern-Schriften“ 1888 in der Zeitschrift „Atlantic Monthly“ in Fortsetzungen veröffentlicht wurde, hatte der Autor den Zenit seines schriftstellerischen Schaffens bereits erreicht. Sein Werk fand nicht nur bei europäischen, sondern auch bei amerikanischen Lesern größte Beachtung, denn James wurde vor allem für seine Meisterschaft im psychologisch feinsinnigen Erzählen geschätzt. Als Höhepunkt dieser Erzählkunst gilt zu Recht der Roman „Die Aspern-Schriften“, in welchem er seinen jungen Protagonisten, einen englischen Herausgeber, hinterlassene Handschriften des bekannten Autors Jeffrey Aspern aufspüren lässt. Schauplatz des Geschehens ist für einen großen Teil der Handlung ein alter Palazzo in Venedig, bewohnt von einer steinalten Dame, Miss Bordereau und ihrer Nichte, Miss Tina.
Miss Bordereau war einst Geliebte des verehrten Aspern und verwahrt die hinterlassenen Schriften wie einen Schatz in ihrer Wohnung. Um an diese Papiere zu gelangen entschließt sich der namenlose Erzähler des Romans zu einer List und mietet sich unter einem Vorwand im Haus der Damen Bordereau ein.
Im Folgenden macht James den Leser zum Beobachter eines feinsinnig inszenierten Kammerspiels, in welchem der von seinem Plan besessene Literat erkennen muss, die beiden Frauen unterschätzt zu haben. All sein Werben um die Gunst der alten Dame bleibt unerhört. So konnte ihn nur das geschickte Umwerben der jungen Miss Tina an sein Ziel führen, ohne jemals daran zu denken, dass seine nicht ernst gemeinten Annäherungsversuche eines Tages erfolgreich sein würden.
Als Miss Tina entdeckt, dass das Interesse an ihr mit wahrer Zuneigung wenig zu tun hatte, bleibt ihr nur ein Ausweg: sich für diese Schmach zu rächen.
Doch Henry James’ Roman ist weitaus mehr als eine detaillierte psychologische Studie über die Folgen menschlicher Gier. In ihrem überaus kenntnisreichen Nachwort zeigt die Übersetzerin Bettina Blumenberg, dass sich durch den Text vor allem ein Motiv zieht, nämlich das des nicht gelebten, freudlosen, verspielten und verhinderten Lebens. Ein Lebensthema, welches für Henry James existentiell bestimmend war.
Torsten Seewitz, 18.02.2006

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