Der
Erfolg des Autors Daniel Kehlmann entwickelt sich
allmählich. Zum Glück, möchte man sagen, denn kein
auflagenschwerer Erstling blockierte seinen Aufstieg und
setzte die Erwartungen an Folgendes so hoch, dass der
Autor daran hätte zerbrechen können.
In aller Ruhe hat Kehlmann in jährlichem Abstand
mittlerweile vier Romane, einen Erzählungsband und eine
Novelle veröffentlicht. Dies ist um so beachtlicher,
bedenkt man sein Alter von gerade einmal 30 Jahren.
Nun, nach einem Wechsel vom Suhrkamp zum Rowohlt Verlag,
legt Daniel Kehlmann seinen neuesten Roman mit dem Titel
"Die Vermessung der Welt" vor. Er erzählt
darin die Geschichte zweier bedeutender deutscher
Wissenschafter; die des kauzigen und menschenscheuen
Mathematikers Carl Friedrich Gauß und die des
besessenen Forschungsreisenden Alexander von Humboldt.
In ihren Lebensentwürfen konnten sie nicht entfernter
sein, doch einte sie der Drang, Neuland zu erobern
Sicherlich hätte Kehlmann eine spannenden historischen
Roman schreiben können oder eine Doppelbiographie, doch
er verknüpft beide Genre derart gekonnt, dass es eine
Freude ist, in die Leben von Gauß und Humboldt
einzutauchen. Es ist nicht nur die feine Ironie, die den
Roman durchzieht, sondern vor allem auch die
beeindruckende Verknüpfung von Fakten und Fiktion.
Dies könnte ein Risiko sein, denn vor allem Leser mit
fundierten Geschichts- und Biographiekenntnissen
könnten der Fiktion bald überdrüssig sein, doch
Kehlmann weiß zum Teil so detailversessen von seinen
Helden zu erzählen, dass es bald egal zu sein scheint,
ob sich das Berichtete tatsächlich so abgespielt haben
mag.
Mit Sicherheit kann sowieso kein Autor für sich in
Anspruch nehmen historisch genau zu erzählen, denn
unsicher wird die ganze Angelegenheit für ihn immer
dann, wenn er sich auf Quellen verlassen muss. Und dies
ist immer der Fall, wenn die Reise in die Vergangenheit
geht.
Da Daniel Kehlmann sich dessen bewusst ist, begibt man
sich als Leser gern in seine Geschichte und begleitet
bereitwillig Herrn Gauß auf seine beschwerliche Reise
nach Berlin und folgt Alexander von Humboldt in
unwirtliche Gegenden Südamerikas. Beide Helden haben
jeder auf seine Art die Welt vermessen, Gauß
mathematisch als Landvermesser und Humboldt als
akribischer Naturforscher. Beide haben mit ihren
Forschungen Großartiges geleistet, doch lebten sie zu
einer Zeit, die von Kriegen durchzogen, die Dimension
ihrer Erkenntnisse nicht abzuschätzen vermochte.
Dass historische Romane auch denjenigen gefallen
können, die beim Lesen eher Gegenwartsstoffe
bevorzugen, beweist Daniel Kehlmann mit dem Erfolg
seines jüngsten Roman auf das vortrefflichste.
So bleibt nur, diesem Buch noch mehr Leser zu wünschen
und sich auf die nächste Veröffentlichung des Autors
zu freuen. Torsten Seewitz, 20.11.2005 |