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KLUUN
"Mitten ins Gesicht"
Aus dem Niederländischen von Mary und Erik Adler-Sijmons
Scherz Verlag Frankfurt/M. 2005
363 S.; 14,90 Euro

Wie soll man umgehen mit seiner schwer erkrankten Frau? Wie soll man trösten, wenn eigene Kräfte versagen, weil der Traum vom gemeinsamen Altwerden wie eine Seifenblase zerplatzt? Woher die Zuversicht nehmen, die die leidende Frau so dringend braucht?
Carmen und Stijn sind bei diesen Fragen des Lebens angekommen. Fragen, die sie sich niemals stellen wollten, weil ihr Leben bislang in erfolgreichen Bahnen verlief.
Bis zu jenem Tag, als in Carmens Brust ein Tumor diagnostiziert wird, der sich zu allem Unheil als bösartig herausstellt. Fortan versuchen beide, ihr Leben neu zu ordnen. Zwar gelingt es ihnen anfangs, die Diagnose zu verdrängen und all die Untersuchungen und beginnenden Therapien mit einer gewissen Art Galgenhumor hinzunehmen, doch bröckelt diese Fassade nach nicht allzu langer Zeit.
Nicht mehr sie und ihre gemeinsame Tochter stehen im Mittelpunkt, sondern der Krebs. Stijn fühlt sich durch Carmens Krankheit zunehmend einsam und seiner Identität beraubt. Ihm fehlt das, was sein Leben zuvor ausmachte. Mit Freunden ausgehen, bis spät in die Nacht in Diskotheken tanzen und andere Frauen treffen. So nimmt er sich, was ihm Carmen momentan nicht geben kann und stürzt sich in das Amsterdamer Nachtleben und in zahlreiche Affären. Affären, die Stijn Kraft geben. Kraft, die er für Carmen so dringend braucht.
Aufgeschrieben hat dies teils autobiographisch geprägte Geschichte der niederländische Autor Kluun und damit in seiner Heimat einen Sturm der Begeisterung ausgelöst. "Mitten ins Gesicht" ist kein rührseliger Text, der im falschen Pathos erstickt, sondern ein bewegendes und ehrliches Buch über zwei Menschen, die verzweifelt ihr gemeinsames Leben festhalten. Oft bewegt sich der Roman nah an der Grenze des emotional Erträglichen, zum einen, wenn Stijn seine Frau betrügt und danach vor Schuldgefühlen fast zerbricht, zum anderen, wenn er voller Hingabe für Carmen da ist und ihr Leiden zu lindern versucht.
So wie Stijn der Realität ihn mitten ins Gesicht sehen muss, so sieht sich der Leser mit einer Geschichte konfrontiert, die obgleich sie polarisiert, mitten ins Herz trifft. 
Torsten Seewitz, 23.02.2006
 

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