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Igor Kostin
"Tschernobyl. Nahaufnahme"
Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer
Verlag Antje Kunstmann München 2006
240 S.; 24,90 Euro

26.April 1986 – das Datum, welches auch nach 20 Jahren nichts an seiner Symbolkraft verloren hat. Als an diesem Tag der vierte Reaktorblock des Kernkraftwerks Tschernobyl explodiert, ahnt die Welt noch nicht, dass einer der denkbar schlimmsten Unfälle geschehen ist, dessen Folgen bis heute nicht absehbar sind.
Einer der ersten, die diesen GAU im Bild festhielten, war der Fotoreporter Igor Kostin. Von einem Anruf mit den Worten geweckt „Igor, im Kernkraftwerk Tschernobyl hat es heute Nacht gebrannt. Wir fliegen hin. Kommst du mit?“ steigt Kostin wenig später schlaftrunken in den Hubschrauber, der ihn in 45 Minuten von Kiew zum Unglücksort bringt. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er noch nicht, dass Tschernobyl ihn sein Leben lang begleiten wird.
Nur ein grobkörniges Foto ist von diesem ersten Einsatz geblieben; der Rest des Films war auf Grund der hohen radioaktiven Strahlung unbrauchbar geworden.
Wie in einem Sog dokumentiert Kostin in den ersten Tagen und Wochen, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit, die Folgen des Reaktorunglücks. Er fliegt mehrmals über den Krater, in dessen Tiefe der rotglühende Reaktorkern sichtbar ist, fotografiert den Bau des sogenannten „Sarkophags“ und hält das Sterben der umliegenden Dörfer und Städte im Bild fest. Sein größter Verdienst ist jedoch, den geschätzten fünf- bis achthunderttausend (!) Offizieren, Soldaten, Bauern und Arbeiter, die zur Eindämmung der Unglücksfolgen als „Liquidatoren“ eingesetzt wurden, ein Gesicht gegeben zu haben. Kostins Fotografien bilden nicht einfach nur ab, sondern erzählen dem heutigen Betrachter von den Strapazen, dem unsagbaren Leid der Betroffenen und von der Verlogenheit der Politik, die mit einem farcenhaften Prozess von den wahren Unglücksursachen abzulenken versuchte.
Auch für Igor Kostin gingen die unzähligen Einsätze am Ort des Unglücks nicht spurlos vorüber und es grenzt an ein Wunder, dass er die Unmengen radioaktiver Strahlung überlebt hat.
In ihrem Nachwort schreibt Galia Ackermann: „Durch sein mutiges Fotografieren lässt Igor Kostin Tschernobyl in unserer Erinnerung weiterleben. Bilder für 24.000 Jahre.“ Worte, denen nichts hinzuzufügen bleibt. Torsten Seewitz, 25.05.2006

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