26.April
1986 – das Datum, welches auch nach 20 Jahren
nichts an seiner Symbolkraft verloren hat. Als an diesem
Tag der vierte Reaktorblock des Kernkraftwerks
Tschernobyl explodiert, ahnt die Welt noch nicht, dass
einer der denkbar schlimmsten Unfälle geschehen ist,
dessen Folgen bis heute nicht absehbar sind.
Einer der ersten, die diesen GAU im Bild festhielten,
war der Fotoreporter Igor Kostin. Von einem Anruf mit
den Worten geweckt „Igor, im Kernkraftwerk Tschernobyl
hat es heute Nacht gebrannt. Wir fliegen hin. Kommst du
mit?“ steigt Kostin wenig später schlaftrunken in den
Hubschrauber, der ihn in 45 Minuten von Kiew zum
Unglücksort bringt. Zu diesem Zeitpunkt
ahnt er noch nicht, dass Tschernobyl ihn sein Leben lang
begleiten wird.
Nur ein grobkörniges Foto ist von diesem ersten Einsatz
geblieben; der Rest des Films war auf Grund der hohen
radioaktiven Strahlung unbrauchbar geworden.
Wie in einem Sog dokumentiert Kostin in den ersten Tagen
und Wochen, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit, die
Folgen des Reaktorunglücks. Er fliegt mehrmals über
den Krater, in dessen Tiefe der rotglühende Reaktorkern
sichtbar ist, fotografiert den Bau des sogenannten
„Sarkophags“ und hält das Sterben der umliegenden Dörfer und Städte im Bild fest. Sein größter
Verdienst ist jedoch, den geschätzten fünf- bis
achthunderttausend (!) Offizieren, Soldaten, Bauern und
Arbeiter, die zur Eindämmung der Unglücksfolgen als
„Liquidatoren“ eingesetzt wurden, ein Gesicht
gegeben zu haben. Kostins Fotografien bilden nicht
einfach nur ab, sondern erzählen dem heutigen
Betrachter von den Strapazen, dem unsagbaren Leid der
Betroffenen und von der Verlogenheit der Politik, die
mit einem farcenhaften Prozess von den wahren Unglücksursachen
abzulenken versuchte.
Auch für Igor Kostin gingen die unzähligen Einsätze
am Ort des Unglücks nicht spurlos vorüber und es
grenzt an ein Wunder, dass er die Unmengen radioaktiver
Strahlung überlebt hat.
In ihrem Nachwort schreibt Galia Ackermann: „Durch
sein mutiges Fotografieren lässt Igor Kostin
Tschernobyl in unserer Erinnerung weiterleben. Bilder für
24.000 Jahre.“ Worte, denen nichts hinzuzufügen
bleibt. Torsten Seewitz, 25.05.2006 |