Im deutschsprachigen Raum ist der russische Schriftsteller
Andrej Kurkow dank der Veröffentlichungen des Diogenes
Verlages kein Unbekannter mehr. Wie bereits in
"Picknick auf dem Eis" und "Petrowitsch"
beweist der Autor sein besonderes Gespür für skurrile
Geschichten, die er natürlich fabelhaft erzählen kann.
So auch in seinem jüngst veröffentlichten Roman "Ein
Freund des Verblichenen". Tolja, Protagonist und
Erzähler, beschließt nach erfolgloser Ehe seinem Leben ein
Ende zu setzen. Bloß über die Todesart ist er sich nicht
schlüssig, denn selbst Hand an sich zu legen, ist er zu
feige. Doch wie der Zufall es will, trifft er seinen alten
Schulfreund Dima wieder, der in einem kleinen Kiosk arbeitet
und Beziehungen zu vielerlei zwielichtige Personen
unterhält. Ihm erzählt
Tolja, dass er eine Person für einen
besonderen Auftrag benötige, nämlich den vermeintlichen
Liebhaber seiner Frau zu beseitigen. Dima glaubt ihm die
Geschichte und vermittelt ihn an einen professionellen
Killer.
Glücklich, endlich die Lösung für seine Probleme gefunden
zu haben, schickt er dem anonymen Killer sein Foto und die
Adresse seines Stammkaffees, dem von ihm gewünschten Tatort.
Sollte der Abschied vom Leben wirklich so leicht sein? In
Erwartung des nahenden Todes lässt Tolja seine Biographie
noch einmal Revue passieren.
Doch am vereinbarten Termin wartet er vergebens auf den
Killer. Betrunken und enttäuscht geht er wieder nach Hause.
Unterwegs trifft er die Prostituierte Lena und verbringt mit
ihr eine Nacht. Diese will am anderen Morgen kein Geld für
ihre Dienste haben, sondern äußert , für Tolja völlig
unerwartet, den Wunsch, ihn wiederzusehen. Sollte sein Leben
plötzlich wieder einen Sinn bekommen? Doch der Killer war
bestellt und er wird ihn mit Sicherheit aufspüren.
Die Fabel der Geschichte, die Kurkow hier in seinem, im
Original 1996 erschienenen Roman erzählt, könnte
unglaublicher nicht sein. Zwar ist es mit Sicherheit schon
vorgekommen, dass jemand seinen Freitod inszeniert, doch
wendet Kurkow diese an sich tragische Situation ins Komische.
Er lässt Tolja von einem unglaublichen Abenteuer ins nächste
stürzen, ohne mit gezielten Seitenhieben auf das moderne
russische Staatssystem zu sparen.
Es ist wohl dieser von Melancholie getragene und dennoch
scharf auf die gesellschaftliche Wirklichkeit blickende
Erzählstil, der Kurkows Bücher so unverwechselbar und seine
Helden so unvergesslich macht. © Torsten Seewitz,
18.08.2001
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