"Man trifft manchmal einen Menschen, der zum Ziel für alles wird,
was eingedämmt ist."
Alles begann damit, als der holländische Seemann Leo Tybrin Beck das
Gasthaus auf einer kleinen norwegischen Insel betrat. Es war der Tag, als
Maren Gripe für verrückt erklärt wurde.
Bislang galt Maren als ruhige und zurückhaltend lebende Frau, die
scheinbar glücklich, mit ihrem Mann Jacob verheiratet war und die ihren
Tag mit Ritualen, wie dem morgendlichen Gang zum Salzschuppen am Hafen,
begann. Doch an diesem Tag sollte sich ihr Leben und das der anderen
Inselbewohner grundlegend verändern. Nur wenige Stunden, nachdem das
holländische Schiff mit Leo Tybrin Becks an Bord vor Anker ging, wurden
aus bis dato unbescholtenen Männern gewaltbereite Menschen, die vor
keiner Grausamkeit zurückschreckten.
Und all dies, weil Maren Gripe an diesem Abend im Gasthaus wider ihre
Prinzipien Unmengen Genever trank und volltrunken, mit offener Bluse und
abwesendem Blick am Tisch saß. An diesem Abend sei sich selbst begegnet,
wird sie später einer Freundin erzählen.
Oeystein Loenn erzählt diese unheimliche Geschichte um Liebe und Schuld
mit den Stimmen einzelner Inselbewohner. Überaus gekonnt fügt er deren
Erinnerungen an diesen verhängnisvollen Abend und der darauffolgenden
Stunden wie kleine Mosaiksteinchen zu einem gemeinsamen Bild zusammen. Er
spürt psychologisch genau der Ursache nach, die eine scheinbar stabile
Gemeinschaft derart aus den Fugen geraten lässt. War es die Angst vor dem
Fremden, dem Unberechenbaren, dieser ungeheuren Macht mit Namen
Liebe?
Dem Leser offenbart sich mit "Maren Gripes notwendige Rituale"
jedenfalls ein meisterhaft geschriebenes Psychogramm menschlicher Ängste
und Sehnsüchte, die lange Zeit verborgen, durch ein unerwartetes Erlebnis
rücksichtslos zu Tage treten können. Das Faszinierende an diesem Roman
ist die Kunstfertigkeit, mit welcher der Autor die unterschiedlichen
Erzählperspektiven verknüpft und sie letztendlich zu einer Stimme
zusammenführt, die der Maren Gripe. © Torsten Seewitz 24.04.2001 |