„Ich schreibe
auf Italienisch, weil es still ist und ich die
Ereignisse des Tages darin aufbewahren kann, wo sie sich
vom Lärm des Neapolitanischen ausruhen.“ Derart
poetische Sätze sagt nicht ein lebensweiser alter Mann,
sondern eine Junge aus Neapel von gerade einmal dreizehn
Jahren. Er wächst im kleinen Städtchen Montedidio auf.
Seine Eltern gehören zu den armen Bewohnern der Stadt,
denn einzig der Vater kann die Familie durch seine
Arbeit im Hafen der Stadt ernähren. Doch was zählt
Geld, wenn die Gesundheit der Mutter so angegriffen ist,
dass man um ihr Leben bangen muss.
Dies wird der junge Held jedoch erst später begreifen.
Vorerst verlässt er die Schule, weil er meint, den
Pulten der Fünftklässler entwachsen zu sein und genug
gelernt zu haben. Er findet Arbeit bei Meister Errico,
einem Tischler. Stolz trägt er samstags sein verdientes
Geld nach Hause.
Neben seinem Lehrmeister trifft der Junge auf den alten
Schuhmacher Rafaniello, der, ohne einen Lohn zu
verlangen, die Schuhe der Ärmsten der Stadt flickt.
Zum Geburtstag hatte der Vater ihm ein Bumerang
geschenkt, doch wo soll man es fliegen lassen. Die
Gassen Montedidios sind zu eng und so trainiert der
Junge jeden Tag das Werfen der exotischen Waffe auf dem Dach des Wohnhauses. Wie ein Leitmotiv zieht
sich dieses Üben durch den Roman und versinnbildlicht
auf nahezu magische Weise, das zähe Ringen des Jungen,
einmal der Enge der Stadt zu entfliehen. Nicht allein,
wie man zu Beginn des Romans denken mag, denn recht bald
wird er die verwirrenden Gefühle der ersten Liebe
erfahren.
Von diesem Traum und den langen, holprigen Weg des
Erwachsenwerdens erzählt Erri de Luca auf äußerst
feinfühlige und poetische Weise. Ein Entwicklungsroman
en miniature, der den Leser vor dem Hintergrund einer
bedrückend hoffnungslos erscheinenden Welt des Italiens
der 1960er Jahre in die zauber- und rätselhafte Welt
der Adoleszenz entführt.
Torsten Seewitz, 08.08.2005 |