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Armistead Maupin
"Der nächtliche Lauscher"
Aus dem Amerikanischen von Miriam Mandelkow
Rowohlt Verlag Reinbek 2002
352 S., 19,90 Euro
Vor einigen Jahren bewegte das Schicksal eines 13jährigen, an AIDS erkrankten, Jungen, die amerikanische Öffentlichkeit. Niemand hatte ihn je zu Gesicht bekommen, nur zwei Fotos zeigen ein zierliches Kind, dessen grausame Vergangenheit niemand zu ahnen wagt. Er hatte seine Autobiographie geschrieben, in der er vom Martyrium seiner Kindheit erzählte. Bereits im Alter von zwei Jahren wurde er von seinen leiblichen Eltern an alte Männer verkauft, die ihre kranken Gelüste an ihn befriedigen konnten, er wurde geschlagen und wie ein Tier gehalten.  Mit 11 konnte er fliehen, gezeichnet von den Schrecken seiner Kindheit. Letztendlich fand er Rettung in der Psychologin Vicki Johnson, die ihn adoptierte und ihm half, seine Eltern ins Gefängnis zu bringen.  
Armistead Maupin erzählt in seinem aktuellen Roman "Der nächtliche Lauscher" die Geschichte dieses Jungen, die zu gewissen Teilen auch seine eigene geworden ist. 
Es hat mehrere Jahre gedauert, bis er überhaupt fähig war, all das Erlebte aufzuschreiben, um so vielleicht zu verarbeiten.  
Im Roman ist Maupin Gabriel Noon, ein homosexueller Autor und Radio-Moderator der überaus überfolgreiche Sendung "Noon@Night". In einer momentanen Lebenskrise steckend erhält er von einem Verleger das Manuskript des 13-jährigen Pete Lomax, in welchem er seine leidensvolle und unglaubliche  Kindheitsgeschichte erzählt. Noon ist entsetzt von dem Text und zugleich davon überzeugt, dass das Manuskript veröffentlicht werden muss. Eines Tages meldet sich Pete bei Gabriel Noon und erzählt ihm, wie  begeistert er von dessen Radio-Show wäre. Der anfänglich Small-Talk entwickelt sich zu einer lieben Gewohnheit, in dessen Folge Gabriel immer intensivere Vatergefühle für den Jungen aufbaut und dieser die Emotionalität erwidert. Es nur all zu verständlich, dass er den Jungen persönlich kennen lernen will. Ein erstes Treffen wird von der Adoptivmutter Petes kurzfristig abgesagt. Auch alle anderen Versuche, sich zu sehen, scheitern. Gabriels ist zwar enttäuscht, denkt sich aber nichts weiter dabei. Erst als sein Lebensgefährte ihn auf die Ähnlichkeit der Stimmen von Pete und seiner Adoptivmutter aufmerksam macht, regen sich erste Zweifel an der Existenz des Jungen. Er beginnt nachzuforschen. 
Der anfänglich eher unspektakulär erzählte Roman, gewinnt zunehmend an Spannung. Wer ist dieser Pete? Gibt es ihn wirklich oder erlaubt sie hier jemand einen üblen Scherz? Doch je tiefer Noon in die Geschichte eintaucht, desto mehr entfernt sich Pete von ihm. Es ist, als würde er seinen eigenen Schatten verfolgen; vollkommen egal wie geschickt er es anstellt, er wird ihn nie zu fassen bekommen. 
Maupins Roman, den er in der Erzähltradition seiner berühmten "Stadtgeschichten" schrieb, vereint gekonnt Elemente des Krimis mit der psychologischen Ergründung einer Lebenskrise. Eine gute Mischung für unterhaltsame und anspruchsvolle Literatur. 
Übrigens sucht Maupin bis heute nach dem wahren Pete. Mehr Informationen gibt es auf seiner Homepage unter www.armisteadmaupin.com . ©Torsten Seewitz, 23.05.2002

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