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Magnus Mills
"Indien kann warten"
Aus dem Englischen von Katharina Böhmer
Suhrkamp Verlag Frankfurt/M. 2002
240S., 18,90 Euro

Die englische Landschaft ist bezaubernd und hält für den, der bereit ist, ihre Schönheit zu erkunden, so manche Überraschung bereit. Nicht nur ferne Gegenden faszinieren ob ihrer Exotik, nein auch die verregnete englische Provinz vermag, von Fernweh geplagte in ihren Bann zu ziehen. 
So auch den Helden aus Magnus Mills neuem Roman "Indien kann warten", denn eigentlich wollte dieser mit dem Motorrad nach Indien fahren. Eine Art Selbstfindungstour stand ihm im Sinn. Doch wozu Tausende Kilometer fahren, wenn das Glück in der Nähe zu finden ist. Mit Nähe ist hier ein idyllisch gelegener Campingplatz im Nordwesten Englands gemeint, der nur ein Zwischenstopp sein sollte, aber für die Dauer eines Jahres zum neuen Wohnsitz für den namenlosen Protagonisten werden sollte. Der Herbst nahte und eines Tages waren alle Gäste abgereist, nur er blieb zurück. Mr. Parker, der Platzbesitzer, unterbreitete ihm ein lukratives Angebot, denn er könne für ein paar kleine Aushilfsarbeiten noch einige Tage bleiben. Aus den paar Tagen wurden bald Wochen und Mills' Held fühlte sich in seiner Rolle als Hilfsarbeiter für Mr. Parker wohl. Das Tor zu streichen war ein Spaziergang und auch Anstreichen des Bootsschuppens an der Anlegestelle am See. Sogar dessen Tochter nahm seine Hilfe bei der Erledigung ihrer Hausaufgaben in Anspruch. Alle waren so nett zu ihm und recht bald hatte er das Gefühl, zur Dorfgemeinschaft zu gehören. Er brauchte sogar nicht bezahlen, weder im Pub bei den abendlichen Dart-Wettkämpfen der Dorfbewohner noch beim Einkauf. Geld schien hier nicht wichtig zu sein, alles wurde angeschrieben. Sein Ansehen wuchs mit der Zeit und die ihm übertragenden Aufgaben erforderten immer mehr Einsatz. Er merkte gar nicht wie die Zeit verging, der Winter stand vor der Tür. Doch Indien kann warten, dachte er.
Magnus Mills wäre nicht Magnus Mills wenn er seine Geschichte nicht mit hintergründigem Humor erzählen würde. Wie bereits in seinem ersten Roman "Herren der Zäune" beweist Mills auch hier sein Gespür für Komik, groteske Verwicklungen und witzige Dialoge. In "Indien kann warten" verwickelt sich sein Held unmerklich immer tiefer in Abhängigkeiten. Seitens seines Arbeitgebers und auch der Bewohner werden Erwartungen aufgebaut, die er nicht erfüllen kann und deshalb von einem Fettnapf in den nächsten tritt. Mills beschreibt hier auf gekonnte Weise dieses Phänomen, welches jeder Mensch mit Sicherheit in seinem Leben einmal selbst erfährt bzw. erfahren hat.
Der jugendliche Held in Mills Roman will stets das Beste, doch wird er wegen seiner Gutmütigkeit schamlos ausgenutzt und erhält als Dank letzten Endes Hohn und Spott.
©Torsten Seewitz, 27.05.2002

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