Zwei
Männer treffen sich in der Suite eines Luxushotels. Der
eine, Hermann Krämer ist ein erfolgreicher
Schriftsteller, der andere, Arnold Andergros, sein
Jugendfreund. Beide haben sich seit Jahren nicht mehr
gesehen, doch nun hält Hermann den Zeitpunkt für
gegeben, sein Leben Revue passieren zu lassen und ein
Ereignis, was beider Leben seit geraumer Zeit überschattet,
zum Gegenstand ihres Gespräches zu machen.
Das Schicksal beider Männer bestimmte eine Frau, nämlich
jene titelgebende Hannah. Eine begnadete Musikerin und
nicht wie man vermuten könnte, die gemeinsame Geliebte,
sondern die angebetete Tochter Hermanns.
Das abendliche Gespräch entwickelt sich recht bald zu
einer Lebensbeichte des Erzählers, die um Hannah und
ihre Musik kreist. Verschüttet geglaubte Emotionen
brechen aus Hermann heraus, der bereits als Jugendlicher
unter der Dominanz seines Freundes litt. Nie hat
er ihm etwas zugetraut und immer ein seinem
schriftstellerischen Erfolg gezweifelt. Nun, Arnolds
Prophezeiungen haben sich nicht erfüllt, doch bleibt Krämers
Leben überschattet von einem tragischen Ereignis.
Armin Müller-Stahl, der vielen als hervorragender
Schauspieler bekannt sein dürfte, ist ein künstlerisches
Multitalent. Neben dem Musizieren und dem Malen besitzt
er auch eine schriftstellerische Begabung, die bereits
1981 mit dem Roman „Verordneter Sonntag“ zutage
trat.
Nun hat er mit „Hannah“ eine kurze Erzählung
verfasst, die in vielem an Sandor Marais herausragenden
Roman „Die Glut“ erinnert. Dies mag man dem Autor
als Einfallslosigkeit anlasten, doch bekennt er
sich ganz offen zu dieser Parallele, indem er das
Vorbild in einer Passage zitiert.
Bei allem Lob für die poetische und teils elegante
Sprache, bleibt doch am Ende der Lektüre an schaler
Beigeschmack zurück. Zu oft verliert man sich beim
Lesen in den assoziationsreichen Erinnerungen Krämers
und seinen Betrachtungen zur Musik oder tagespolitischen
Geschehnissen. Zwar vermag es Müller-Stahl einen
gewissen Spannungsbogen aufzubauen, doch wirkt dessen
Auflösung zum Ende hin allzu gehetzt.
Vielleicht wäre die Form des Romans, in Anbetracht der
Komplexität des Themas, hier eine bessere gewesen.
Dennoch sei die Lektüre empfohlen oder besser noch, man
gönnt sich die Audio-Version, vom Autor selbst gelesen.
Torsten Seewitz, 12.09.2006
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