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Cees Nooteboom
„Paradies verloren“
Aus dem Niederländischen von Helga von Beuningen
Suhrkamp Verlag Frankfurt/M. 2005
159 S.; 16,80 Euro

Ganz klassisch beginnt Cess Nooteboom seinen neuesten Roman mit einem Prolog; und wie in Goethes „Faust“ spielt diese Szene sogar im Himmel. Genauer in einem Flugzeug, auf dem Weg von Friedrichshafen nach Berlin. Doch nicht Goethe steht bei Nootebooms Roman Pate, sondern John Miltons Versepos „Das verlorene Paradies“, konkret die Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies.
Ein Schriftsteller und gleichzeitig der Erzähler der Geschichte beobachtet neugierig eine vor ihm sitzende junge Frau, wie sie ein in karmesinrotes Papier eingewickeltes Buch auspackt. Er kann den Titel nicht genau erkennen, doch er meint „Paradies verloren“ zu lesen, ein von ihm geschriebenes Buch. Es ist genau jenes Buch, welches der Leser, also sie, in diesem Moment in ihren Händen halten. 
Mit diesem fulminanten Einstieg beginnend, erzählt Nooteboom die nun folgenden zwei Geschichten: Zum einen ist es die von Almut und Alma. Beide sind eng befreundet und leben seit Jahren in Sao Paulo. Als Alma, weil sie unvorsichtig genug war allein in eines der Armenviertel Sao Paulos zu fahren, vergewaltigt wird, beschließen beide Brasilien zu verlassen und ihren Traum von einer Reise nach Australien zu verwirklichen.
Dort angekommen, präsentiert sich ihnen jedoch eine andere Wirklichkeit als die erwartete. Nur noch wenig scheint von der mythenhaften Welt der Ureinwohner übrig zu sein. Sie reisen quer durch den Kontinent und suchen nach den Spuren vergangenen Lebens.
Ihre Reise führt sie letzten Endes nach Perth, wo sie im Rahmen eines Theaterprojekts Arbeit als Engel finden. Hier gewinnt die Geschichte ihren magischen Charakter vom Anfang zurück, denn Cees Nooteboom findet traumhafte Bilder, um davon zu erzählen.
Der zweite Teil des Romans hat den Amsterdamer Kritiker Erik Zondag zur zentralen Figur. Mit seinem Leben nicht sonderlich zufrieden, versucht er mit einer Fastenkur in Österreich seinem Leben einen neuen Impuls zu versetzen. Wider Erwarten trifft er eines Tages, in der abgeschlossenen Welt der Kurklinik, auf einen verloren geglaubten Menschen.
Wer dies ist, sei hier nicht gesagt, doch gelingt es Cees Nooteboom die zwei Ebenen seines Romans auf wunderbare Weise zu verschränken. Hier zeigt sich die Klasse der Autors, der mit nur scheinbar leichter Hand eine Geschichte geschrieben hat, deren tieferer Sinn sich erst mit dem Epilog erschließt. 
Eine Liebesgeschichte? Ja. Und was für eine, möchte man nach der Lektüre ausrufen. Doch leider gehören Engel nicht zu Menschen. Torsten Seewitz, 12.08.2005

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