Es
ist ein paradiesischer Sommer für den fünfzehnjährigen
Trond, der mit seinem Vater aus Oslo kommend, in diesem
Landstrich Norwegens nahe der schwedischen Grenze seine
Ferien verbringt.
Die Zeit, als die Deutschen das Land verließen, liegt
erst drei Jahre zurück. Jahre, die in diesem Idyll wie
eine Ewigkeit erscheinen.
Trond verbringt viel Zeit mit seinem gleichaltrigen
Freund Jon, der zusammen mit seiner Familie in dem
kleinen Ort lebt. Gemeinsam begeben sie sich auf Jagd,
um Hasen zu schießen,
sie laufen im Mondlicht durch den Wald und erklimmen den
Bergkamm, sie angeln im Fluß Forellen und stehlen die
Pferde des Bauern Barkald.
So auch an diesem Julitag, der das Leben der beiden
Jungen für immer verändern wird. Durch einen
tragischen Unglücksfall stirbt einer der beiden
Zwillingsbrüder Jons durch einen Schuss aus seinem
Jagdgewehr.
Doch als wäre dies an Schicksal nicht genug, muss Trond
bald danach erkennen, dass sein Vater die vergangenen
drei Jahre ein Geheimnis hinter seinem Schweigen
verbarg.
Zusammen mit Jons Mutter hat er in den Jahren des
Krieges Flüchtlinge über den Fluss nach Schweden
gebracht und sich während dieser Zeit unsterblich in
sie verliebt. Noch weiß Trond nicht, dass er seinen
Vater nach diesem Sommer nicht wiedersehen wird.
Der Norweger Per Petterson erzählt diese Geschichte des
Abschieds von der Kindheit, die auch eine Geschichte von
Liebe und Tod ist, in eindringlichen Bildern von nahezu
poetischer Zartheit. Er lässt den mittlerweile
gealterten Trond auf diese tragischen Jahre zurückblicken,
voller Milde und Sehnsucht nach dem verlorenen Vater.
Gerade diese ungewöhnliche Empfindsamkeit ist es, die
„Pferde stehlen“ zu etwas Einzigartigem in der
Literatur macht. Selten wurde eindringlicher
beschrieben, welchen Platz Väter im Leben ihrer Söhne
einnehmen. Torsten Seewitz, 03.04.2006 |