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Ollivier Pourriol
"Mephistowalzer"
Aus dem Französischen von Riek Walther
Aufbau- Verlag Berlin 2002
191 S.; 17,50 Euro

Als der junge französische Pianist zu einem Chopin-Wettbewerb nach Warschau fliegt, ahnte er noch nicht, welche Bedeutung er dieser Reise für sein weiteres Leben beimessen würde.  Auch Musik kann eine Waffe sein, doch davon ahnte der junge Mann zu diesem Moment noch nichts. Bereits der Flug nach Polen begann mit einer Merkwürdigkeit, denn er lernte den polnischen Premierminister kennen, der nachdem sie gelandet waren, von einer wütenden Menge mit "Jude, Jude" beschimpft wurde. 
In Warschau begrüßte ihn der große Pianist Pietr Ostreich, der ihn zu diesem Wettbewerb eingeladen und in diesem Jahr den Vorsitz über die Jury hatte. Seit mehr als fünfzehn Jahren wurde bei diesem Wettbewerb kein erster Preis mehr vergeben. Also von vornherein ein hoffnungsloses Unterfangen, daran teilzunehmen? Pourriols Protagonist lässt sich davon jedenfalls nicht beeindrucken. Im Gegenteil, statt stundenlang zu üben, sucht er die Bestätigung bei den ihn umgebenen Frauen, sei es die Tochter der Gastfamilie, die junge Zeitungsverkäuferin oder die unnahbare Journalistin. 
Während des Wettbewerbs trifft der junge Pianist auf den alten Zakhor, einem Mann ohne Hände, der ihn zugleich fasziniert und doch abstößt. Von Zakhor wird gesagt, er hätte das Konzentrationslager mit Hilfe des Klavierspiels überlebt. Doch weshalb er seine Hände verlor, weiß der junge Mann zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst am Ende des Romans wird dessen schicksalhafte Geschichte aufgeklärt. 
Als des jungen Pianisten Konkurrent tritt Ergo Zeitos auf, ein fanatischer Klavierspieler, der bereits als heimlicher Sieger des Wettbewerbs gefeiert wird. Stundenlang übt er seine Partituren, doch wider Erwarten nicht die Chopins, sondern den "Mephistowalzer" von Franz Liszt. 
Ollivier Pourriol hat mit seinem Debüt einen Roman verfasst, der auf den ersten Blick eine Kriminalgeschichte in sich birgt, dessen Thema jedoch darüber hinaus geht. Es sind diese die zahlreichen Anspielungen auf das Schicksal der polnischen Juden zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, die eng mit der Geschichte Zakhors und die Ostreichs verbunden sind. 
Es geht ein teuflischer Zauber von diesem Roman aus, der den Leser mit fortschreitender Handlung immer tiefer in eine mysteriöse Geschichte um Schuld und Sühne hineinzieht. 
Es sind nicht nur die unglücklichen Verstrickungen des jungen Pianisten, sondern vielmehr dessen Eindringen in eine Geschichte voller Rätsel und unausgesprochener Anspielungen. Der Wettbewerb dient hierbei nur als dramaturgisches Element, vor dessen Hintergrund die verhängnisvollen Biographien Ostreichs, Zakhors, Zeitos' und die des jungen Pianisten zusammenlaufen. Dass es letzten Endes die Musik ist, die den Tod eines der Protagonisten herbeiführt, ist aus meiner Sicht, zwar recht konstruiert, schmälert aber nicht die Wirkung der Geschichte, die der Leser darauf hin erfährt. 
©Torsten Seewitz, 04.12.2002

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