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Fritz J. Raddatz
"Ich habe dich anders gedacht"
Arche 2001
110 Seiten, € 15,25

Nach seiner furiosen Biographie über Gottfried Benn veröffentlicht Fritz J. Raddatz im Jahr seines 70.Geburtstages noch ein weiteres Buch. Nicht wie gewohnt im Rowohlt-, sondern bei seinem neuen Verlag, dem Züricher Arche-Verlag erschien im Sommer 2001 "Ich habe dich anders gedacht". Eine ungemein sprachgewaltige Erzählung, in den verhängnisvollen 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts spielend.
Achim Moesgaard, Protagonist der Erzählung, erinnert sich an seine Kindheit in Berlin. Da ist einerseits die idyllische Villa am Wannsee seines Onkels Sami, andererseits die
düstere  Wohnung in Tempelhof mit dem wortkargen Vater. Nur bei seinem Onkel kann er zeitweise die Wirklichkeit vergessen, eine Welt, in der er von seine Klassenkameraden ob seiner strubbligen schwarzen Haare gehänselt wird. Doch die Möglichkeit zu beweisen, dass Achim genauso wie die anderen ist, ergibt sich bald, als der neue Sportlehrer mit Namen Jagdfuchs an die Schule kommt. Die Zeiten haben sich geändert. Onkel Sami ist plötzlich verschwunden und der neue Sportlehrer versteht es, die Jungen für die Ideale der neuen Machtinhaber zu begeistern. Achim ist von Jagdfuchs begeistert; endlich kann er seinen Klassenkameraden zeigen, was in ihm steckt.
Als Achim mit seiner Mutter in Paris weilt, um Onkel Sami zu besuchen, erzählt er diesem begeistert von seinem neuen Ideal und seinem Stolz, Mitglied der Hitlerjugend zu werden. Doch nicht wohlwollende Begeisterung begegnet ihm, sondern ein reservierter Onkel, der sich seinen kleinen Achim anders gedacht hatte.
Fritz J. Raddatz erzählt in einer ungemein fesselnden Sprache, nahezu atemlos, zwischen Traumsequenzen und Erinnerungen wechselnd, die Geschichte einer Verführung; einer Verführung, wie sie Tausende erlebt haben und die unweigerlich in den Untergang führte. Wie mit einem Skalpell seziert Raddatz die Psyche seines Helden, wortgewaltig und an den Erzählstil der Expressionisten erinnernd. Ein kleines Meisterwerk! 
© Torsten Seewitz, 30.12.2001 

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