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Ernst Röhl
"Rat der Spötter. Das Kabarett des Peter Sodann"
Gustav Kiepenheuer Verlag Leipzig 2002
160 S.; 15,00 Euro

Viele kennen sein Gesicht aus dem Fernsehen, wenn er als Kommissar Ehrlicher im Leipziger „Polizeiruf 110“ ermittelt. Markant ist seine ruhige, bedächtige Art. Ein sympathischer Typ, kein Superheld, sondern ein Mensch mit Schwächen.
Wohl die wenigsten wissen jedoch, dass Peter Sodann in seiner Studentenzeit ein überaus erfolgreiches Kabarett leitete und dass er zur damaligen Zeit für seine „starke Schwäche für Anarchie und vorauseilenden Ungehorsam“ bekannt war.
Eigentlich fing alles ganz erfolgversprechend an, damals im Juni 1961 als der „Rat der Spötter“ als erstes Studentenkabarett der DDR vor westdeutschem Publikum auftreten durfte. Eingeladen vom „Convent für gesamtdeutsche Arbeit“ und argwöhnisch begleitet von Sicherheits- und Parteikadern, ging die Fahrt der fünfzehn „Spötter“ nach Marburg an der Lahn. Die Versicherungen Walter Ulbrichts im Ohr: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!“ genießen die jungen Leute ihre Fahrt in den Westen, ohne zu ahnen, welch schicksalhafte und dramatische Wendung die deutsche Geschichte nur wenige Wochen später nehmen wird.
Der Auftritt in Marburg wird ein voller Erfolg und den Befürchtungen der Parteikader zum Trotz, blieb niemand im „feindlichen“ Teil Deutschlands. 
Wieder in der Heimat, investieren die Mitglieder des „Rates der Spötter“ all ihre Freizeit in ihr neues Programm „Wo der Hund begraben liegt“ und in den Ausbau ihrer künftigen Spielstätte, dem „Spötterkeller“ am Nicolaihof.
Angeführt vom Leithammel Gomorrha, dem Spitznamen Peter Sodanns, geben sie ein kurzes Gastspiel in verschiedenen Orten Mecklenburgs, doch alle Gedanken sind beim neuen Programm, welches zur Herbstmesse in Leipzig Premiere haben soll. Noch ist viel zu üben, Texte müssen geschrieben und Lieder arrangiert werden, da holen die politischen Ereignisse des August 1961 die Kabarettproben ein. Das politische Klima in der DDR war rauher geworden, doch blieb der „Rat der Spötter“ bislang von Reglementierungen der Parteileitung der Karl-Marx-Universität und der Sicherheitskräfte verschont, bis zu jenem Herbst 1961.
Das neue Kabarettprogramm musste, nachdem es der Sekretär für Agitation und Propaganda der Universitätsparteileitung, Klaus Höpcke, abgesegnet hatte, einer Kommission vorgestellt werden. Diese Abnahmekommission, bestehend aus Mitgliedern der Partei und FDJ, lässt die Vorstellung zuerst kommentarlos über sich ergehen, bis sie an dessen Ende ihr vernichtendes und folgenschweres Urteil fällt: „Es (das Programm) ist politisch falsch, schlimmer es ist ein konterrevolutionäre Sauerei!“.
Mit solcherlei Urteil hatte keiner der „Spötter“ gerechnet. Konterrevolutionäre sollten sie sein, gegen den Staat – einfach lächerlich. Nur wenige Tage später wurden die ersten Mitglieder des Kabaretts von der Hochschule verwiesen, dann verhaftet und unter unwürdigen Bedingungen über Wochen wieder und wieder von der Staatssicherheit verhört.  Über neun endlos lange Monate zog sich die Beweisaufnahme hin, bis der Prozess gegen Sodann, Röhl und die anderen beginnen konnte. Neun Monate, die das Leben dieser jungen Männer für immer veränderten.
Obgleich das von Ernst Röhl Erzählte an Tragik kaum zu überbieten scheint, bewahrt er seinen unverwechselbaren Humor. Seinem unnachahmlichen Stil sei gedankt, dass diese Geschichte nicht zu einem rührseligen Tränenstück mutiert, sondern zu einem Feuerwerk geistreicher Bonmots wird.   Ihm ist die Freude förmlich anzumerken, mit welcher er das politische System DDR und die Beschränktheit seine Handlanger bloßstellt, die einem Staat dienten, der junge Menschen hinter Gitter sperrte, weil dieser Angst vor der Kraft ihrer Worte hatte.
Auch in der Haft sind die „Spötter“ standhaft geblieben und haben ihren Witz nicht verloren. Was soll man auch machen, wenn der sächsische Dialekt Walter Ulbrichts oder die Beschränktheit der Wärter geradezu zum Spott herausfordern.
“Der Kabarettist, den eine allmächtig sich dünkende Staatsmacht ins Gefängnis wirft, hat Schwein gehabt; er darf sich als geadelt betrachten.“, stellt Röhl resümierend fest. Somit ist der „Rat der Spötter“, „... nach der Anzahl der Haftmonate beurteilt, das erfolgreichste Nachkriegskabarett in Deutschland.“.
Ironie des Schicksals: Mitte der sechziger Jahre ermunterten politische Verantwortungsträger der Karl-Marx-Universität  talentierte Studenten in Ermangelung eines Kabaretts zur Gründung eines solchen mit dem Namen „Akademixer“. 
©Torsten Seewitz, 31.03.2003

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