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Bernhard Schlink
"Die Heimkehr"
Diogenes Verlag Zürich 2006
384 S.; 19,90 Euro

Als Kind verbrachte Peter Debauer seine Ferien bei den Großeltern in der Schweiz. Seine Mutter brachte ihn zum Zug und wenn er Glück hatte, erreichte er ohne Umsteigen nach sechsstündiger Fahrt den Zielbahnhof, wo ihn sein Großvater empfing.
Die Abende verbrachte er mit ihnen zusammen am Tisch und sah ihnen zu, wie sie lesend  Manuskriptseiten mit Korrekturen versahen. „Romane zur Freude und zur guten Unterhaltung“ nannte sich die Heftchenreihe, die sie betreuten und ihnen den Lebensunterhalt sicherte.
Peter durfte die Rückseite der Korrekturbögen als zum Malen oder Schreiben nutzen, den vorderseitig abgedruckten Text hingegen erlaubten sie ihm nicht zu lesen. Doch eines Tages konnte Peter seine Neugier nicht mehr verbergen.
Was er las, handelte von der Heimkehr eines Soldaten aus dem Krieg. Zwar wurde in dem Text das unmenschliche Antlitz des Krieges nicht beschönigt, doch enthielt er nichts, was das Leseverbot gerechtfertigt hätte. Der Soldat findet seine Heimatstadt wieder, erreicht die Wohnung und trifft seine Frau mit einem anderen Mann an der Seite an. Hier endet die Geschichte, denn die anderen Korrekturbögen hatte Peter schon früher beschrieben und dann  weggeworfen, denn sie waren nicht mehr auffindbar.
Jahre später fällt Debauer, mittlerweile Jurist, diese Geschichte wieder ein und er möchte das Ende erfahren. Er begibt er sich auf die Suche nach dem kleinen Heftchen, doch niemand kann sich mehr an die „Romane zur Freude“ erinnern. Mühsam beginnt er das einst Gelesene zu erinnern und stellt seltsame Parallelen fest, die ihn annehmen lassen, der Autor habe etwas Authentisches beschrieben, das auch mit seinem Leben zu tun haben könnte.
Spätestens an diesem Punkt hat der neue Roman Bernhard Schlinks den Leser gefesselt. Doch was sich anfangs ausnimmt wie eine gewöhnliche Detektivgeschichte, entwickelt sich zu einer fesselnden, das 20. Jahrhundert durchziehenden, Spurensuche, während dessen Verlauf.
Peter Debauer viel über sein eigenes Leben erfährt. Aber vor allem entdeckt er die wahre Geschichte des heimgekehrten Soldaten, die auch die Geschichte des Autors ist, einem Mann der es immer wieder verstand, mit verschiedenen Identitäten seine Spuren zu verwischen und dessen Leben mehr mit Peter zu tun hat, als dieser anfangs ahnt.
In seinem neuesten Werk hat Bernhard Schlink sich einem nur scheinbar unaktuellem Motiv zugewandt, das der Kriegsheimkehr deutscher Soldaten, welches spätestens seit Ende der 1950er Jahre in der deutschsprachigen Literatur als aufgearbeitet galt. 
Überaus gekonnt greift er diese ersten literarischen Aufarbeitungsversuche in seinem Roman auf. Doch betrachtet er sie nicht nur mit einem Abstand von fünfzig Jahren, sondern führt sie auch am Beispiel seiner Geschichte in die Gegenwart fort.
Ähnlich der Irrfahrten des Odysseus gerät die Suche Peter Debauers nach dem wahren Urheber des Textes immer mehr zu einer Reise in das innere seines Ichs, an deren Ende die Erkenntnis seiner wahren Herkunft und die Heimkehr zu seiner geliebten Frau steht.
Schlinks Roman gehört unbestritten zu den interessantesten und aufregendsten dieser Saison. Bleibt nur, ihm möglichst viele Leser zu wünschen. Torsten Seewitz, 28.02.2006

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