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Vladimir Vertlib
“Letzter Wunsch“
Deuticke Verlag Wien 2004
389 S.; 22,90 Euro

Gabriel Salzinger kann nicht gerade sagen, dass sein Leben bisher glücklich verlaufen wäre. Irgendwie schien alles aus den Fugen zu geraten. Weder seine Arbeit in der Statistikabteilung der Westmitteldeutschen Versicherungsabteilung schaffte ihm die nötige Zufriedenheit, noch konnte er mit einer harmonischen Ehe glänzen. Einzig sein Vater hielt zu ihm, obgleich beider Verhältnis als angespannt bezeichnet werden konnte.
Sein Alltag in der deutschen Kleinstadt Gigricht verlief völlig frei von Aufregungen. Bis zu jenem Tag, an dem Gabriels Chef ihn zu sprechen wünschte, um ihm mitzuteilen, dass seine Arbeitskraft für das Unternehmen nicht gerade von herausragender Bedeutung sei.
Und als wäre dies des Unheils nicht genug, verlangte sein Vater ihn am Abend zu sehen. Also waren stundenlangen Diskussionen über seinen unsoliden Lebenswandel angesagt.
Hätte Gabriel gewusst, dass sein Vater an diesem Abend sterben würde, er wäre vielleicht nicht mit diesem Widerwillen zu ihm gefahren.
Der Tod des Vaters kam plötzlich. David Salzinger konnte seinem Sohn nur noch mit letzten Kraft mitteilen, dass er im Grab seine Frau auf dem Jüdischen Friedhof beerdigt werden möchte.
Nun mag man als Leser denken, dass dies wohl kein sehr ungewöhnlicher letzter Wunsch sei, doch Vladimir Vertlib entwickelt aus dieser Situation einen vor Wortwitz und teilweise makabrer Komik sprühenden Roman.
Am Tag der Beisetzung des Vaters auf dem jüdischen Friedhof brach die Katastrophe herein. Obzwar alle Formalitäten geklärt waren, wurde die Beerdigungszeremonie von der Friedhofsveraltung unterbrochen. Denn wie sich herausstellte, war David Salzinger nach orthodoxem Verständnis kein Jude, da seine Mutter zwar zum Judentum übergetreten war, doch dies bei einem nicht thoragläubigen Juden tat. Somit war der Übertritt ungültig.
Die Odyssee, die Gabriel Salzinger von nun an erlebt, um den letzten Wunsch seines Vaters dennoch zu erfüllen, ist an Absurdität kaum zu überbieten.
Vladimir Vertlib scheut hierbei vor einer kritischen Betrachtung des modernen Judentums nicht zurück, ohne mit einem Augenzwinkern von den übertriebenen und nicht mehr zeitgemäß erscheinenden Ritualen, gerade der orthodoxen Juden, zu erzählen.
Dies macht den Roman so sympathisch, denn hier erzählt jemand, der sich genauestens in der religiösen Welt auskennt.
Seinen bisherigen Roman wie „Zwischenstationen“ oder „Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur“ (die Titelfigur dieses Romans taucht übrigens auch im aktuellen Buch auf) hat Vertlib mit „Letzter Wunsch“ ein ebenso sprachlich wie inhaltlich eindrucksvolles Werk nachfolgen lassen. ©Torsten Seewitz, 19.03.2004

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