Zur Startseite

Klaus Walther
"Bücher sammeln"
Deutschen Taschenbuch Verlag München 2004
124 S.; 8,00 Euro

"Haben Sie das alles gelesen?". Welcher Büchersammler kennt ihn nicht, diesen Ausruf, hervorgebracht von Besuchern in Betrachtung wohlgefüllter Regale. Natürlich wirkt diese Frage auf den Befragten naiv. So denkt er sich oder sagt es laut, dass man ja nicht jedes Buch, welches man besitzt, gelesen haben muss. Es könnte aber einen Zeitpunkt geben, an dem sich dessen Besitz als nützlich herausstellt.
Diese Betrachtungsweise stellt jedoch nur eine von vielen Möglichkeiten dar, wie die eingangs gestellte Frage von einem Buchliebhaber beantwortet werden könnte.
Von vielen weiteren Varianten erzählt Klaus Walther in seinem kleinen und äußerst kurzweiligen Essayband "Bücher sammeln".
Er führt den interessierten Leser in die Welt bibliophiler Kostbarkeiten und lässt ihn die prunkvollsten Bibliotheken bestaunen. Auch lädt er ihn ein, Gast bei bekannten Sammlern, wie Ernst Jünger oder Werner Klemke, zu sein. Kaum vorstellbar scheint für den Normalleser, dass deren Bibliotheken weit mehr als 20000 Bände umfassten. Bei diesen Zahlen wundert es auch nicht, dass die Lösung des Platzproblems zu den drängendsten Aufgaben gehörte. Eine knifflige Herausforderung, die meistens mit der Anmietung von Wohn- oder Lagerraum in der Nachbarschaft gelöst wurde.
Doch ist die Welt der Bibliophilen nicht nur mit friedfertigen Lesern bevölkert, denn wo Leidenschaften den Jagdinstinkt bestimmen, ist das Verbrechen meist nicht weit. So berichtet Klaus Walther vom Pfarrer Johann Georg Tinius, der, um seine Sammellust zu befriedigen, selbst vor Raub und Mord nicht zurückschreckte. Auf diese unredliche Weise führte er seiner 180000bändigen Bibliothek das eine oder andere Buch zu. Die zu verbüßende Zuchthausstrafe von 10 Jahren wirkt dagegen als ein sehr mildes Urteil.
Um auf die eingangs gestellte Frage noch einmal einzugehen: Natürlich muss man Bücher nicht unbedingt lesen. Manchmal reicht das sinnliche Erlebnis, ein bestimmtes Buch zu berühren und die Gewissheit zu besitzen, dass es bereits zu Lebzeiten des Dichters erschienen ist. Ähnlich verhält es sich mit Autographen. Denn welcher, wenn auch nur gering, an Literatur Interessierte möchte bestreiten, dass es ein unglaubliches Erlebnis darstellt, einen eigenhändig von Goethe unterzeichneten Brief in den Händen zu halten. Doch es geht ebenso um den Besitz einer bestimmten Werkausgabe oder um das Sammeln von Büchern einer bestimmten Reihe, wie die der INSEL-Bücherei.
Letztendlich unterscheidet sich die Welt der Büchersammler gar nicht so sehr von der anderer Sammler. Auch hier steht die Leidenschaft und Jagd nach Raritäten im Vordergrund. Doch bewahren sie, auf Tausende mehr oder weniger umfangreiche Privatbibliotheken verteilt, das schriftliche Gedächtnis einer Nation. 
Torsten Seewitz, 23.02.05

Buch bei amazon.de bestellen

Kommentar schreiben Kritik ausdrucken

oder

WEITERE BUCHTIPPS FINDEN SIE UNTER BÜCHERBORD - DAS ARCHIV