Atmosphärisch dichte Musik erklingt, eindringlich erhebt
sich der sonore Bass des Sprechers Andreas Fröhlich, um
dem Hörer ein bizarres Szenario zu beschreiben.
Markerschütternd schreiend erheben sich fünf brennende
Schwäne, lebenden Fackeln gleich, über den Marebo-See,
fliegen wild umher bevor sie steinschwer ins Wasser stürzen.
Den Klang dieser Schreckensschreie noch im Ohr, ertönt
die Stimme Lindas (Ulrike C. Scharre), der Tochter Kurt
Wallanders (Axel Milberg), die in die Fußstapfen ihres
Vaters getreten ist und sich ebenfalls zur Polizistin
ausbilden ließ. Dies soll ihr erster Fall werden, doch
ahnt sie noch nichts von den Verwicklungen, die sie in nächster
Zeit immer tiefer in die Abgründe der menschlichen
Seele schauen lassen.
In Gedanken beschreibt sie ihren Vater, den sie zwar
liebt, dessen wortkarges und manchmal unerwartet
aufbrausendes Auftreten sie jedoch nur schwer ertragen
kann. Umso prekärer, da sie noch immer zusammen in der
gleichen Wohnung in Ystad leben.
Lindas beste Freundin Anne ist verschwunden und sie
findet keine Erklärung hierfür. Wallander nimmt ihre
Ängste nicht ernst, vielmehr beschäftigt ihn die Tat
am Marebo-See. Kein Anhaltspunkt lässt auf den Täter
schließen, nur der Anruf eines Mannes wurde
aufgezeichnet, der der Polizei das Schreckensszenario
beschrieb.
So ermitteln beide, Tochter und Vater, in vorerst zwei
verschieden erscheinenden Fällen, obgleich Linda ihre
Polizeischule gerade erst abgeschlossen hat und noch
nicht einmal über einen Dienstausweis verfügt.
Ist es beim Lesen bereits ein Genuss, sich auf
Spurensuche zusammen mit Henning Mankells Protagonisten
zu begeben, so eröffnet das von Sven Stricker
beeindruckend inszenierte Hörspiel „Vor dem Frost“
eine neue Dimension. Auch wenn die Ermittlungen des
Kommissars Kurt Wallander nicht mehr im Vordergrund
stehen, gestaltet sich die Spurensuche Lindas nicht
minder spannend. Dramaturgisch geschickt eingesetzt,
verstärkt die Musik Jan-Peter Pflugs und Tilman
Ehrhorns, die äußerst beklemmende Atmosphäre der
Romanvorlage.
Wenngleich Axel Milberg als Kurt Wallander das Mürrische
seiner Rolle ein wenig zu sehr betont, überzeugt Ulrike
C. Scharre als Linda durchgehend. Über Andreas Fröhlich
und seine Rolle als Sprecher braucht man nicht viel
Worte verlieren, denn die Besetzung mit seiner Person
ist grandios. Beeindruckend ist seine tiefe Stimme, die
bei der Beschreibung der teils beklemmenden, teils
schaurigen Szenarien Gänsehaut garantiert.
Sicherlich ist „Vor dem Frost“ kein Hörspiel,
welches man allein in einem dunklen Raum hören sollte
(es sei denn, man besitzt Nerven wie Drahtseile), doch
ist es auf jeden Fall ein atmosphärisch dicht
inszenierter Krimi, den man durchaus mehrmals hören
kann und vielleicht auch sollte, denn man wird stets
neue Nuancen entdecken, die die Spannung des Hörspiels
aufrecht erhalten. Torsten Seewitz, 11.09.2003 |