Niccolò
Ammaniti
"Die Herren des Hügels"
Aus dem Italienischen von
Ulrich Hartmann
C. Bertelsmann Verlag München 2003
253 S.; 19,90 Euro
Dieser Sommer des
Jahres 1978 wird als einer der heißesten des Jahrhunderts in die Geschichte
eingehen. Die Hitze war schier unerträglich, drang in die kleinsten Ritzen und
ließ alles Leben tagsüber ersterben.
Zwar empfanden die Kinder eines kleinen italienischen Dorfes die Sonnenglut
genauso unerträglich, doch hinderte sie sie nicht daran ihre Umgebung mit ihren
Fahrrädern zu erkunden. Ziel war an diesem Tag ein Hügel, in der Nähe des
Dorfes. Der neunjährige Michele und seine Freunde wetteiferten, wer als
erster den den Gipfel des Hügels mit seinem Fahrrad erklommen hat. Sie mussten
am Hof des alten Melichetti vorbei, von dem man sich erzählte, er hätte seinen
Dackel den Schweinen zum Fraß vorgeworfen.
Michele musste wie so oft seine kleine Schwester mitnehmen, die ihn natürlich
daran hinderte, dieses Wettrennen zu gewinnen. So erreichten sie als letzte die
Hügelkuppe, noch hinter der dicken Barbara - eine Schmach, die Michele somit
hinnehmen musste.
Hinter dem höchsten Punkt des Hügels verbarg sich eine weitere Anhöhe, auf
welcher sich ein altes, verfallenes Bauernhaus befand. Die anderen Jungen
beschlossen, dass Michele dieses Haus betreten und durchqueren musste. Ohne zu
widersprechen, doch mit einem unguten Gefühl in der Magengegend, nahm er die
Strafe an und hangelte sich durch ein altes Fenster in die Ruine. Drinnen sah es
schlimmer aus, als er es sich vorgestellt hatte, doch gelang es ihm auf
abenteuerliche Weise bis in den kleinen Hof vorzudringen. Am Rand es Hofes lag
eine große Platte aus Wellblech, unter welcher ein erbärmlicher Gestank
hervortrat. Michele hob die Platte vorsichtig an und entdeckte eine Grube, in
dessen Tiefe etwas schimmerte, was aussah, wie das Bein eines Menschen. Als er
seinen Kopf weiter vorbeugte, entdeckte er den zusammengekrümmten Körper eines
kleinen Jungen, der wie tot auf dem Boden lag. Ein kleines Steinchen, welches
Michele hinunterwarf, traf den leblosen Körper, doch gab dieser keinen Ton von
sich. Schnell bedeckte er die Grube wieder, denn die anderen Kinder riefen
bereits nach ihm.
Schockiert von dem soeben Entdeckten, ließ sich Michele jedoch gegenüber den
anderen nichts anmerken. Ihn beschäftigte nur eine Frage: Wer ist dieser Junge?
Von nun an besaß er ein Geheimnis, welches er niemanden anvertrauen
würde.
Dass dieser Tag sein Leben verändern würde, ahnte er in diesem Moment noch
nicht ...
"Die Herren des Hügels" ist nach "Fort von hier" der zweite
Roman des Italieners Niccolò Ammanitis (Jg. 1966) und steht seit über einem
Jahr auf den italienischen Bestsellerlisten und wurde bereits 160 000 mal
verkauft. Gern möchte man diesen ungewöhnlichen Erfolg nach der Lektüre des
Romans bestätigen, denn selten hat es ein Autor verstanden, so in die
Gefühlswelt eines Kindes einzutauchen und konsequent sowie glaubhaft aus
dessen Perspektive zu erzählen. All die Ängste und Phantasien, die
Beobachtungen der zumeist unverständlichen Welt der Erwachsenen und die Ebene
der Freundschaft unter Gleichaltrigen vereint Ammaniti in seinem Roman auf
gekonnte Weise. Themen, die dieses Buch auch für Jugendliche interessant
erscheinen lassen, zumal Ammaniti in einer klaren unprätentiösen Sprache
schreibt, die dennoch die Magie der italienischen Landschaft spüren
lässt.
"Die Herren des Hügels" ist neben dem genauen Psychogramm eines
neunjährigen Jungen auch ein sehr gut geschriebener Krimi, dessen Spannung bis
zur letzten Seite aufrecht erhalten bleibt. ©Torsten Seewitz, 10.03.2003
www.fragmentum.de