Aharon Appelfeld
"Badenheim"
Aus dem Hebräischen von Martin Kluger
dtv München 2001
155 S., 9,00 Euro


Als die jüdischen Gäste in diesem Frühjahr 1939 den österreichischen Kurort Badenheim besuchen, um der Eröffnung des traditionellen Kulturfestivals unter der Leitung des Dr. Pappenheim beizuwohnen, ahnten sie noch nichts vom Schrecken der künftigen Wochen. Zwar war das neu eingerichtete Gesundheitsamt mit seiner Werbung für die polnischen Gebiete "Die Luft in Polen ist gesünder" oder "Die unterentwickelten Gebiete rufen Euch"  allgegenwärtig, doch argwöhnte die illustre Gästeschar nichts. Vielmehr sahen sie die Untersuchungen und Fragen des neuen Amtes als Notwendigkeit ein, sogar noch dann, als sie ihre familiäre Abstammung nachweisen mussten. 
"Die Festspiele werden sich in diesem Jahr selbst übertreffen. Warum sollte sich das Gesundheitsamt sonst solche Mühe geben?", rief Dr. Pappenheim guter Dinge aus. 
Doch langsam, aufsteigendem Nebel gleich, breitet sich lähmende Stille über den einst so lebhaften Kurort und auch die angereisten Musiker vermochten nicht, diese bedrückende Stimmung zu vertreiben. Nur wenige Wochen später wurde Badenheim zum Sperrbezirk erklärt. Keiner durfte den Ort verlassen, denn Gerüchte kursierten, nach denen alle jüdischen Gäste eine Reise in die polnischen Gebiete antreten sollten. 
Bereits in diesem frühen Werk Aharon Appelfeld zeigt sich die sprachliche Meisterschaft des Autors, die Schrecken des Holocausts mit bedrückendenden sprachlichen Bildern begreifbar zu machen. Nahezu gelähmt folgt man seiner Beschreibung der letzten Wochen jener Gäste Badenheims, deren jüdische Abstammung ihnen zum Verhängnis werden sollte. Vor allem seine Beschreibungen der Natur, das anfänglich "heitere Licht des Frühlings", welches dem kalten Licht aus dem Norden wich bis graue Tage den Alltag bestimmten, tragen metaphorische Züge. 
Der nahende Untergang ist förmlich spürbar. Doch im Gegensatz zum Leser, ahnen die feingezeichneten Charaktere dieser kammerspielartigen Szenerie nichts von ihrem Schicksal. 
Am Ende des Romans treffen sich alle Akteure erwartungsvoll auf dem kleinen Bahnhof Badenheims wieder. Selbst als eine Lokomotive mit "schmutzstarrende Viehwaggons" einfuhr, fand Dr. Pappenheim noch Zeit für die Bemerkung: 'Wenn die Abteile so schmutzig sind, kann das nur heißen: weit geht sie nicht, unsere Reise.'". 
Wir, als Leser wissen es besser und müssen, hilflos, die einst so lebensfrohe Gästeschar in ihren sicheren Untergang verabschieden.© Torsten Seewitz, 22.03.2002

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