Alessandro Baricco
"Ohne Blut"
Aus dem Italienischen von Anja Nattefort
Carl Hanser Verlag München 2003
104 S.; 12,90 Euro

Alessandro Baricco ist mittlerweile ein Garant für eine Art von Literatur, die ihren eigenen Gesetzen folgt. Mit wenigen Sätzen vermag er es, von den großen Dingen des Lebens, Liebe und Tod, so gefühlvoll zu erzählen, dass einem als Leser, sofern man sich auf die Geschichte einzulassen vermag, eine Woge des Mitgefühls für seine Protagonisten das Gemüt durchzieht. Am eindrucksvollsten belegen diese Kunstfertigkeit wohl seine Erzählungen "Seide" und "Novecento". Interessant ist hierbei, dass Baricco es gekonnt versteht die drohenden Klippen von Kitsch und Pathos zu umschiffen. Nun liegt beim Carl Hanser Verlag seine neues Buch "Ohne Blut" vor, und wieder erzählt er mit wenigen Worten eine Geschichte von Liebe und Tod, von Schuld und Sühne.
Manuel Roca lebt zurückgezogen mit seinen beiden Kindern auf dem Land. Doch etwas beunruhigt ihn, lässt ihn mit Vorahnungen Sicherheitsvorkehrungen treffen, als er von Ferne eines Tages ein sich näherndes Auto bemerkt.
Die vier Männer, die in der Nähe seines Hauses halten sind bewaffnet und fordern ihn lautstark auf sein Haus zu verlassen.
Zuvor hatte Roca seine Tochter Nina versteckt und seinem Sohn gesagt, das Haus durch den Hintereingang zu verlassen, um zu fliehen.
Es dauert nicht lange, bis die ersten Schüsse fallen. Die Männer dringen in das Haus ein, verletzen Roca schwer und töten dessen Sohn, der versucht hatte, einen der Eindringlinge mit dem Gewehr zu erschießen. Als der jüngste der Täter das Haus nach weiteren Familienmitgliedern durchsuchte, entdeckte er das Versteck Ninas. Doch wider Erwarten verrät er sie nicht.
Jahrzehnte später treffen Nina und dieser junge Mann aufeinander und aus dieser ungewöhnlichen Konstellation entwickelt Barricco den zweiten Teil seiner Geschichte.
Er läßt den Leser teilhaben am ungewöhnlichen Lebenslauf Ninas und versucht zu erklären, weshalb Manuel Roca auf so brutale Weise ermordet wurde. Denn Roca hat zu Zeiten des Krieges als Arzt in einem Krankenhaus schwere Schuld auf sich geladen.
Es sei an dieser Stelle nicht zu viel erzählt, doch nur so viel, dass Alessandro Baricco seine kleine Geschichte mit einem unerwarteten, zwar nicht spektakulären, Höhepunkt enden läßt.
Wer die Bücher Bariccos schon immer mochte, wird auch an diesem Gefallen finden. Jedoch sei als Einstieg in die sprachmagische Welt des Autors noch immer sein Erstling "Seide" empfohlen. ©Torsten Seewitz, 07.11.2003

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