Philippe
Besson
"Eine italienische Liebe"
Aus dem Französischen
von Caroline Vollmann
Deutscher Taschenbuch Verlag München 2004
178 S.; 14,00 Euro
Luca Salieri ist tot. Angespült am linken
Arnoufer unterhalb des Ponte Santa Trinita. Sein Verschwinden wurde zwei Tage
zuvor von Anna Morante gemeldet.
Spektakulär und doch rational in der Sprache beginnt Philippe Besson seinen
Roman „Eine italienische Liebe“. So werden zumeist Kriminalromane mit einem
darauf folgenden Kapitel, in welchem der ermittelnde Kommissar vorgestellt wird,
eröffnet. Nicht so in der vorliegenden Geschichte. Vordergründig könnte man
sie als Krimi lesen, doch würde man damit den Intentionen des Autors nicht
gerecht werden.
Gleich im ersten Kapitel kommt Luca zu Wort. Er lässt ihn aus der Hülle des
Menschen heraustreten und sich als Toten betrachten. Eine interessante
Perspektive, die an Reiz gewinnt, je weiter man Lucas Weg, vom Entdecken des
Leichnams durch die Carabinieri bis hin zur Beisetzung, folgt. Gebrochen werden
die Reflektionen Lucas durch die Stimmen seiner Freundin Anna und seines
Geliebten Leo. In dieser heimlichen Liebe liegt auch die Dramatik des
Erzählten, denn Anna und Leo wissen anfangs nichts voneinander.
Aus jeweils individueller Sicht schildern sie ihre Beziehung zu Luca, wobei es
vor allem Anna ist, die schrittweise zur Erkenntnis gelangt, dass ihr Geliebter
ein Doppelleben geführt hat.
Leo wiederum, der Polizei bestens bekannt als Stricher im Bahnhofsmilieu, kommt
die Rolle des Haupttatverdächtigen zu. Er war der letzte, mit dem Luca Salieri
vor seinem Tod Kontakt hatte. Ob sich dieser Verdacht der Carabinieri als
richtig erweist, lässt Besson natürlich bis zum Ende seines Romans im
Unklaren.
Doch bezieht das Buch seine Spannung nicht unbedingt aus dem kriminalistischen
Aspekt der Handlung. Vielmehr weckt der Autor die Lust zu erfahren, wie die
einzelnen Protagonisten mit Lucas Geheimnis und dessen Entdeckung umgehen.
Kunstvoll kreist der Roman vor allem um die Frage, was wir von uns nahestehenden
Personen wirklich wissen. Kann überhaupt jemand von sich behaupten, einen
Menschen allumfassend zu kennen, auch wenn es der ist, den wir innig lieben?
Der besondere Reiz beim Lesen besteht vor allem darin, dass Besson von diesem
großen Thema überaus einfallsreich und in einer klaren, wohltuend
schnörkellosen Sprache erzählt. Ein Buch, welches neugierig macht, die
verborgenen Seiten des Lebens zu entdecken! Torsten Seewitz, 02.11.04