Emmanuel Bove
"Ein Junggeselle"
Aus dem Französischen von Georges Hausemer
Deutscher Taschenbuchverlag 2002
159 S.; 8,50 Euro

Lange Zeit war der aus Frankreich stammende Autor Emmanuel Bove (1898-1945) vergessen, bevor ihn die literarische Welt seines Heimatlandes wiederentdeckte. Erst 1981 wurde er dann in Deutschland durch die hervorragende Übersetzung seines Romans "Meine Freunde" durch Peter Handke bekannt. Dem Manholt Verlag und dem Deutschen Taschenbuchverlag ist es aufgrund ihrer jahrelangen Bemühungen um den Autor zu verdanken, dass seine Hauptwerke nahezu vollständig in deutscher Übersetzung vorliegen und somit einem breiten Publikum zugänglich sind. 
Sein 1932 im Original erschienener Roman "Ein Junggeselle", in dem er den Leser Einblick in das Leben eines alternden neurotischen Mannes nehmen lässt, verkörpert sehr eindrucksvoll das Lebensbild es Schriftstellers Bove. Gefangen in den eigenen Gefühlen, unfähig ihnen Raum zu geben, begleitet er seinen einsamen Protagonisten Albert Guittard durch die Unwägbarkeiten des Alltags der 1920er Jahre. 
Wie sollte es anders sein, besteht die Hauptprofession eines Junggesellen in der Betörung des weiblichen Geschlechts. Guittard hat für sich die, aus seiner Sicht unglücklich verheiratete Clotilde auserkoren, um ihr seine Liebe zu zeigen. Vor Hingerissenheit blind, merkt er gar nicht, wie er sich ihr ganz und gar ausliefert. Unfähig, ein einigermaßen realistisches Bild seiner Selbst zu erlangen, überhört er ihren latenten Spott und bemerkt nicht, wie er von ihr und ihrem Gatten vorgeführt wird. 
Guittard lebt in seiner eigenen selbstverliebten Welt, sich einbildend, Mittelpunkt der ihn umgebenden Gesellschaft zu sein.  Doch diese misst seinem Zugegensein und seinen Äußerungen keineswegs die Bedeutung bei, die Guittard meint zu haben. 
Sehr beeindruckend versteht es Bove seinen Protagonisten als vermeintliches Zentrum einer Gruppe von Menschen darzustellen, die seinen Gefühlen nicht die, aus seiner Sicht, notwendige Aufmerksamkeit beimisst. Guittard hält sich für etwas Besonderes, als über den Dingen stehend, manchmal den Wahn anheimfallend, das Leben anderer Menschen dirigieren zu können. Doch die entscheidende Erkenntnis, dass sich seine Ansichten vom Leben und der Liebe nur marginal von den seiner Mitmenschen unterscheiden, fehlt Guittard. 
Erst gegen Ende des Romans scheint er Ruhe in der Beziehung zu seiner alten Freundin Winnie zu finden, die er zuvor als eine Art Schutz vor der undankbaren Damenwelt aus Paris in seinen Wohnort holte. 
Bove versteht es beeindruckend, die innere Zerrissenheit seines Protagonisten in Worte zu kleiden und seine Entwicklung vom Herzensbrecher zu einem wahrhaft Liebenden darzustellen. Guittard muss erkennen, das in der wahren Liebe zweier Menschen Äußerlichkeiten wenig zählen, sondern allein die inneren Werte. 
Auf den heutigen Leser mögen viele Passagen dieses Romans antiquiert wirken, doch beeindruckt Bove mit der gekonnten literarischen Bearbeitung seines Themas, den Menschen hinter der Maske zu zeigen. © Torsten Seewitz, 16.01.2003


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