Michael Crichton
"Timeline"
Aus dem Amerikanischen
von Klaus Berr
Goldmann München 2002
634 S., 11,00 Euro
Als im
ausgehenden 19. Jahrhundert die Wissenschaftler
glaubten, die Geheimnisse unseres Lebens entschlüsselt zu
haben, konnten sie nicht ahnen, welche bahnbrechenden
Entdeckungen das 20. Jahrhundert bringen würde. Neben
Röntgenstrahlen, die feste Materie durchdringen konnten, im
Orbit fliegende Satelliten oder Massenvernichtungswaffen, die
die Menschheit bedrohen, befassen sich einige Wissenschaftler
intensiv mit Phänomenen der Quantenphysik. Hypothetisch ist
es ihnen zu Folge möglich, dass ein Gegenstand von A nach B
transformiert, dieser dabei in Teilchen (Quanten) zerlegt und
an anderer Stelle wieder aufgebaut wird.
Theoretisch müsste es demzufolge möglich sein, Körper in
verschiedene Zeitebenen reisen zu lassen. Dieser Wunsch der
Zeitreise ist literarisch vor allem in der phantastischen
Literatur häufig aufgegriffen worden, so von H.G. Wells oder
Michael Moorcock. Michael Crichton geht einen Schritt weiter,
indem er seine Fiktion mit Fakten zu untermauern versucht und
somit die Illusion einer tatsächlichen Begebenheit aufrecht
erhält.
Im
Süden Frankreichs nahe der Dordogne befindet sich das
Ausgrabungsfeld amerikanischer Archäologen, die auf einem
großen Areal die Siedlungsreste aus der Zeit des
Hundertjährigen Krieges ausgraben und zu rekonstruieren
versuchen. Gesponsert werden ihre Ausgrabungen vom
Technologieunternehmen ITC, einem bekannten Institut für
physikalische Forschungen. Es wundert niemanden so recht, dass
sie von ITC Lagekarten und Informationen erhielten, die
bislang unentdeckte Details aufwiesen. Einzig der die
Ausgrabungen leitende Professor Johnston beschleicht der
unheimliche Verdacht, dass die Firma vielleicht eine
Technologie entwickelt haben könnte, die Zeitreisen
ermöglicht. Um seinen Verdacht zu bestätigen, reist er nach
Amerika. Nur wenige Tage später werden die in Frankreich
verbliebenen Wissenschaftler ebenfalls in die USA beordert, um
an einem ungewöhnlichen Projekt teilzunehmen. Sie sollen
Professor Johnston aus der Vergangenheit zurückholen, da
diese auf einer Zeitreise in das Mittelalter verschwunden
sei.
Was sich anfänglich noch wie ein Märchen anhört, entwickelt
Michael Crichton zu einem spannenden Wissenschaft- und
Historienkrimi. Der Traum von einer Reise in die Vergangenheit
entpuppt sich recht schnell als ein gefährliches Unterfangen,
in dem die Zeitreisenden aus dem 21. Jahrhundert vielen
Gefahren ausweichen und Abenteuer bestehen müssen. Weder der
Wissenschaftshistoriker Chris, noch die Architektin Katherin
oder der Alltagshistoriker André hätten je gedacht, dass sie
die Stätten ihrer Ausgrabungen in Frankreich zur Zeit des
Hundertjährigen Krieges besuchen würden. Doch die Zeit der
Faszination weicht recht bald dem Kampf ums nackte Überleben
und die Mission, den Professor zu finden droht zu Scheitern.
Crichton versteht es vortrefflich, unterhaltend zu schreiben,
wobei die Verflechtung von Realem und Fiktionalem die Illusion
aufrecht erhält, einen Tatsachenroman zu lesen. Neben
wissenschaftlichen Schilderungen aus den Bereichen der Physik,
versucht Crichton auch ein anderes, dem modernen
Forschungsstand der Geschichte entsprechendes Bild des
Mittelalters zu vermitteln. Eine Epoche der
Menschheitsgeschichte, die weder düster, statisch noch
rückständig war, sondern dynamisch und fortschrittlich. Das
im Anhang aufgeführte Quellenmaterial beweist, mit welcher
Akribie der Autor, seine Studien betrieben hat. ©Torsten
Seewitz, 30.4.2002