Joan
Didion
"Das Jahr magischen Denkens"
Aus dem Amerikanischen von Antje Ravic Strubel
Claassen Verlag Berlin
288 S.; 18,00 Euro
„Das
Leben ändert sich in einem Augenblick. In einem alltäglichen Augenblick.“
Als Joan Didion diese Worte im Januar 2004 in ihrem Computer schrieb, war ihr
Mann, der Schriftsteller John Gregory Dunne, seit wenigen Tagen tot. Ganz
unerwartet war er gestorben, an einem Herzinfarkt, kurz nachdem sie von einem
Besuch bei ihrer Tochter Quintana, die mit einer rätselhaften Krankheit im
Hospital lag, zurückgekehrt waren. „Das
Leben ändert sich in einem Augenblick“. Ein Satz, einfach so dahingesagt,
wie eine nüchterne Feststellung klingend und dem, leitmotivisch Joan Didions
Buch durchziehend, dennoch etwas Bedeutungsschweres anhaftet.
Es ist gerade diese Ambivalenz, die auszudrücken vermag, wie schwer es der
Autorin fällt, den Verlust ihres geliebten Ehemannes in Worte zu fassen.
Antworten auf die quälende Frage Warum? sucht sie vor allem in Büchern, wie
der „Geschichte des Todes“ von
Philippe Ariés, in Schriften des Sozialanthropologen Geoffrey Gorer und, im völligen
Gegensatz hierzu, im „Buch der
Etikette“ von Emily Post aus dem Jahre 1922.
Doch hilft all das Gelesene nicht über den Schmerz des Verlustes hinweg. Und in
die Trauer mischt sich immer wieder die Angst um das Leben ihrer Tochter, deren
Gesundheitszustand mehrmals krisenhaft erschüttert wird.
Im mühsamen Rekapitulieren der letzten Minuten im Leben ihres Mannes versucht
Joan Didion zu verstehen, was an diesem Abend des 30. Dezember 2003 passiert
ist. Hat sie irgendeinen wichtigen Hinweis übersehen? Hat sie eine Bemerkung
ihres Mannes nicht ernst genug genommen? Selbstzweifel lähmen tagelang ihren
Verstand, lassen sie ihre Umwelt wie durch eine Milchglasscheibe wahrnehmen.
Erst das Obduktionsergebnis gibt ihr die Gewissheit, dass jede Hilfe, die ihren
Mann auch noch so rechzeitig erreicht hätte, vergebens gewesen wäre.
Joan Didions Erinnerungen mit dem poetischen Titel „Das Jahr magischen
Denkens“ wurde in den USA mit dem National Book Award ausgezeichnet und mit
Lobeshymnen geradezu überschüttet. Ein besonderer Erfolg für ein Buch,
welches sich unpopulären Themen wie Sterben und Trauer zuwendet, aber auch ein
Zeichen dafür, wie tief die Betrachtungen der Autorin ihre Leser berühren.
Selten hat ein Schriftsteller derart eindrucksvoll das Gefühl der Leere nach
dem Verlust eines geliebten Menschen und den schmerzvollen Prozess der Trauer
beschrieben. Torsten Seewitz, 23.10.2006