Mark Haddon
„Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“
Aus dem Amerikanischen von Sabine Hübner
Blessing Verlag München 2003
288 Seiten, 18,00 Euro

Für den Romanhelden, den autistischen, 15 jährigen Christopher wird es nur dann ein superguter Tag, wenn er hintereinander fünf rote Autos sieht. Für den Leser wird es allerdings auch ohne fünf rote Autos ein superguter Tag, denn das Debüt des preisgekrönten britischen Drehbuchschreibers Mark Haddon macht schnell süchtig. Der autistische Christopher erzählt in tagebuchähnlicher Form, wie er den Mörder des Pudels aus dem Garten der Nachbarin Mrs. Shears finden will. Sein großes Vorbild ist dabei zwar der große Sherlock Holmes, doch seine Angst vor Menschenmassen und vor braunen und gelben Dingen erschweren ihm die Arbeit. Dann ist da noch sein Vater, der Christopher seit dem Tod der Mutter allein erzieht und ihm nun die Detektivjagd verbietet. Und warum spricht Mrs. Shears plötzlich nicht mehr mit Christophers Vater und warum hat der die Briefe der eigentlich toten Mutter versteckt?

Mit seiner Erzählweise weiß Christopher den Leser von der ersten Seite an zu fesseln, auch wenn – oder gerade weil – er dabei oft hilflos und verunsichert ist. Er entführt in eine Welt, die dem Leser zwar sehr vertraut, aber auch äußerst fremd erscheint. So müssen für den Matheliebhaber Christopher die Dinge im Leben normalerweise eine gewisse Ordnung haben. Die neuesten Ereignisse in seinem eigenen Leben lassen sich jedoch keiner logischen Ordnung unterwerfen, doch auf der Suche nach den ordnungsversprechenden Puzzleteilchen wächst er über sich hinaus. Denn er erkennt langsam, dass das Leben nicht mathematischen Regeln folgen muss. „Ich denke, Primzahlen sind wie das Leben. Sie sind sehr logisch, aber man käme niemals auf die Regeln“, sagt er zwar schon zu Beginn seiner Odyssee, akzeptieren tut er dies allerdings erst nach und nach.

In dieser phantasievollen Welt steht nicht der Autist Christopher, sondern ein verwirrter junger Mann im Zentrum, dessen Erzählung erfrischend leicht ist, ohne dabei inhaltlich an Tiefe einzubüßen. Haddons Protagonist wirkt dabei nicht unglaubwürdig und ist frei von Klischees. Stattdessen erscheinen die Fehltritte der Erwachsenen aus seiner unschuldigen und vorurteilsfreien Perspektive intensiver, schmerzvoller und unverständlicher, als wenn sie von einem älteren Erzähler beschrieben und kommentiert worden wären. Denn Christopher ist ein äußerst genauer, ein mutiger und vor allem ein liebenswerter Chronist der Geschehnisse, die durch seine Augen gesehen nicht nur traurig, sondern auf ganz neue Art und Weise tragisch-komisch wirken. Das sehen übrigens auch die Produzenten der „Harry Potter“-Filme so und wollen mit Hilfe des Warner Bros Studios „Die sonderbare Welt des Christopher Boone“ auf die Kinoleinwände bringen.

Von Aliki Nassoufis

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