Maarten 't Hart
"Das Pferd, das den Bussard jagte"

Aus dem Niederländischen von Marianne Holberg
Arche Verlag Hamburg Zürich 2002
320 S., 19,90 Euro

Es ist sicherlich ein Wagnis für einen Autor, wenn er aus einem reichen Fundus von über 200 Erzählungen auswählen soll,  welche von ihnen er viele Leser wünscht und die einen guten Einblick in sein bisheriges schriftstellerisches Schaffen geben. 
Bei einem so reichen Schatz an Prosa, geschrieben im Verlauf von über dreißig Jahren, gibt es mit Sicherheit vieles zu entdecken und letzten Endes hat der Schriftsteller, in unserem Fall der Niederländer Maarten 't Hart, die Qual der Wahl. In Deutschland ist 't Hart bislang nur mit Romanen bekannt geworden, so dass es an der Zeit war, ihn auch als Autor der epischen Kurzform zu präsentieren. 
Obgleich seine Prosa zweifelsfrei autobiographische Züge trägt, entbehrt sie nicht eines gewissen Zaubers, der den Leser gefangen nimmt und ihn in die wundersame Welt des Autors entführt. Manche der in dem Band veröffentlichten Erzählungen wirken wie die Fortführung oder Ergänzung seiner Romane, wie den über seinen Vater, "Gott fährt Fahrrad" .
Die Texte im vorliegenden Band folgen in ihrer Chronologie der Biographie des Autors. So erzählt 't Hart in der ersten Erzählung "Brachland", wie während des Gottesdienstes ein Freund seines Vaters, neben ihm sitzend, plötzlich stirbt. In "Hausbesuch", einem der amüsantesten Texte, erinnert er sich der vergeblichen Missionierungsbemühungen durch den Kirchenältesten, um in der letzten Geschichte von den Herzbeschwerden eines Schriftstellers zu erzählen, der auf der Fahrt zum Krankenhaus sämtliche rote Ampeln missachtet und letzten Endes einen Polizisten in eine für diesen ausweglose Diskussion verstrickt. 
Zu den beeindruckendsten Texten gehört aus meiner Sicht die titelgebende Erzählung "Das Pferd, das den Bussard jagte". Er schildert jedoch nicht, wie naheliegend, eine Tiergeschichte, sondern erzählt von der zärtlichen Schwärmerei eines Wissenschaftlers für eine junge Biologin während eines Kongresses von Verhaltensbiologen in Deutschland.  Es fasziniert jedoch weniger die Geschichte an sich, sondern vielmehr seine Sentenzen über die Ehe und die Gefühle des Gefangenseins in einer Beziehung berühren. Es sind diese ehrlichen, ungekünstelten Ansichten, die Maarten 't Hart als einen genauen Beobachter zwischenmenschlicher Beziehungen auszeichnen. Wie in seinen Romanen, versteht er es auch in den Erzählungen meisterhaft, seine Ansichten und Beobachtungen in Worte zu kleiden, in Worte die den Leser ergreifen und für sich und die Geschichten einnehmen. ©Torsten Seewitz, 28.06.2002

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