Maarten 't Hart
"Gott fährt Fahrrad oder 
Die wunderliche Welt meines Vaters"
Aus dem Niederländischen von Marianne Holberg
Arche Verlag Zürich Hamburg 2000
316 Seiten; 20,00 Euro

In den Niederlanden gehört Maarten 't Hart zu den meistgelesensten und beliebtesten Schriftstellern. Und auch in unserem Land steigt seine Popularität mit jedem neu veröffentlichten Titel seines umfangreiches Oeuvres. War sein 1984 im Suhrkamp-Verlag verlegter Roman "Ein Schwarm Regenbrachvögel" bislang nur unter Insidern ein Tipp, so gelang dem Arche-Verlag mit der Herausgabe des Romans "Das Wüten der ganzen Welt" im Jahr 1997 Maarten 't Hart einem großen Publikum zugänglich zu machen. Seither veröffentlicht der Arche-Verlag in regelmäßigen Abständen weitere ältere und aktuelle Romane, die nur all zu sehr beweisen, welch ein erstklassiger Schriftsteller dem deutschsprachigen Leser seit Jahren verborgen blieb.
Mit "Gott fährt Fahrrad oder Die wunderliche Welt meines Vaters", in den Niederlanden 1979 erschienen, setzt der Verlag die Edition des Gesamtwerkes fort, indem er das wohl persönlichste Buch 't Harts ins Deutsche übersetzen lies.
Der Roman als literarisches Denkmal; zur Erinnerung an den toten Vater geschrieben. Schreibend den Schmerz und die Angst um den Verlust des geliebten Vaters verarbeitend, erinnert 't Hart in wehmütigen, nahezu zärtlichen Worten die Welt seiner Kindheit und Jugend. Jahre im Schatten des stets mürrischen Vaters, doch voller Verständnis noch dann, wenn dieser sich im Alter für die zahlreichen körperlichen Züchtigungen zu entschuldigen versucht. 
Obgleich der Tod durch den Beruf des Vaters als "Grabmacher" auf dem Friedhof von Maasluis zum Alltag der Familie gehörte, hat dieser für den Sohn nichts von seinem Schrecken verloren. Eine Angst, die er angesichts der fortschreitenden Krebserkrankung seines Vaters auch als Erwachsener zu verdrängen versucht. 
Durch den untersuchenden Arzt zum alleinigen Mitwisser in der Familie geworden, trägt er die schreckliche Gewissheit über das nahende Ende seines Vaters wie ein schwere Bürde mit sich herum. Es fehlt ihm der Mut, seine Eltern über den Ernst der Lage in Kenntnis zu setzen. In sehr ehrlichen Worten beschreibt 't Hart das gefühlsmäßige Auf und Ab zwischen unkontrolliertem Hass auf das Altern und der Verzweiflung über die eigene Hilflosigkeit.
Maarten 't Hart erreicht durch seine besonders authentische Schreibweise in diesem frühen wie auch in seinen späteren Romanen, dass der Leser sehr schnell mit den handelnden Personen vertraut wird. Das Lesen wird begleitet von dem Gefühl, einem guten Bekannten bei seiner Geschichte zuzuhören; nicht distanziert, sondern mitfühlend.
Mit "Gott fährt Fahrrad" hat Maarten 't Hart eine liebevolle Hommage an seinen Vater und dessen wunderliche und phantasievolle Welt, fernab jeder Melodramatik, geschrieben. Eine Geschichte, die beweist, das der Mensch durch sein Handeln an Bedeutung gewinnt und auch nach seinem Tod in der Erinnerung weiterlebt. Erst wer vergessen wird, ist wirklich tot. ©Torsten Seewitz, 28.02.2001

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