Falko Hennig
"Alles nur geklaut"

btb München 2001
239 Seiten, € 9,00

Eigentlich müsste man ausrufen: "Hände weg von diesem Buch!", denn selten habe ich so viele Druckfehler in einem einzigen Roman gesehen. Doch der Autor ist für diesem Missstand mit Sicherheit nicht verantwortlich zu machen. Also zählt einzig, tapfer über die Fehler hinwegzulesen, denn die Geschichte, die Falko Hennig in seinem Buch "Alles nur geklaut" zu erzählen hat, ist äußerst amüsant und für manchen Leser mit Sicherheit auch lehrreich. 
Hennig erzählt sehr kurzweilig von den Tagen seiner Kindheit und Jugend in den letzten 20 Jahren der DDR. Es ist dies jedoch kein Tatsachenroman oder rührseliges Tränenepos über einen Geknechteten unter der Diktatur des Proletariats, sondern die humorvolle Story eines Jungen, der es mit den sozialistischen Eigentumsverhältnissen nicht allzu genau nahm. Betrachteten andere Kinder Radfahren oder Schwimmen als ihr Hobby, so sah der kleine Falko seine Lieblingsbeschäftigung im Stehlen. Waren anfangs noch Spielzeugautos oder Süßigkeiten angesagt, mussten es einige Jahre später schon Bücher, Fahrräder oder Schreibmaschinen sein, die unrechtmäßig in sein Eigentum umwandelte. Zwar fürchtet er noch anfänglich die Strafe seiner Eltern, doch gewöhnte er sich recht bald an ihre Lamentos und dachte sich statt dessen immer waghalsigere Lügen aus, um den plötzlichen Besitz bestimmter Dinge zu rechtfertigen. 
Hennig ist bekennender Buchliebhaber, und es grenzt an ein Wunder, dass er die regionale Stadtbibliothek noch betreten durfte. Aber seine Diebeskunst hatte er so weit perfektioniert, dass er niemals entdeckt wurde. Auch nicht, als er ungehemmt in der DDR heiß begehrte Bücher westdeutscher Verlage stahl, die in den späten 80er Jahren im Rahmen einer Sonderausstellung "Bücher aus der Bundesrepublik Deutschland" dem DDR-Publikum vorgestellt wurden. Doch das Paradies brachte erst die Flucht über Ungarn in den Westen. 
Endlich einmal die Frankfurter Buchmesse besuchen, dachte er. Bücher über Bücher in den Händen halten, von denen er nicht einmal zu träumen wagte. 
Dass der Held des Romans immer einer Bestrafung entging, grenzt bei der aufgebrachten kriminellen Energie an ein Wunder. Es zahlt sich eben aus, wenn man eine reiche Phantasie besitzt, die es mit dem Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge nicht so genau nimmt und um plausible Erklärungen nie verlegen ist.
Ein wenig merkt man dem Autor Falko Hennig seine geistige Nähe zu Autoren wie Wladimir Kaminer oder Jakob Hein an, jedoch beweist er sich als der bessere Geschichtenerzähler. ©Torsten Seewitz, 21.02.2002

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