Alois Hotschnig
"Ludwigs Zimmer"
btb München 2002
156 S.; 8,00 Euro

"Ich hätte die Erbschaft nicht antreten dürfen, damit fing es an, dieses Haus hat schon andere vor mit nicht glücklich gemacht ...", denkt Kurt Weber, als er sich im Rückblick seines Umzuges nach Landskron erinnert. Irgendwie fühlte er sich von Beginn an von den Nachbarn abgelehnt, die den Fremden in ihrer Mitte argwöhnisch beobachteten. 
Das Haus, dem Verfall nahe, bedurfte einer dringenden Sanierung, doch traten für Kurt Weber bald andere Dinge in den Vordergrund. 
Eines Tages betrat eine alte Frau das abgelegene Haus und begab sich, scheinbar mit den Örtlichkeiten vertraut, in ein Zimmer, welches Weber nur als "Ludwigs Zimmer" kannte. Doch in seiner Verwandtschaft gab es niemanden mit diesem Namen. 
Die fremde Frau kam täglich wieder und verbrachte den ganzen Tag in diesem Zimmer, bis sie zum Abend, fast wie ein Geist, wieder verschwand. Weber begann sich an diese mysteriöse Frau zu gewöhnen, bald nahm er ihre Besuche als Selbstverständlichkeit hin. 
Erst die Gespräche mit seinem schwerkranken Nachbarn, der ihm als einziger wohlwollend begegnete, bringen ihm Antworten auf Fragen, die  über die Jahre niemand beantworten konnte und wollte.
Es war die Zeit des Nationalsozialismus in Österreich, als sich auch in der Kärntner Bergwelt Widerstand gegen das nazistische Regime regte. Ludwig gehörte zu einem Freundeskreis, den Webers Onkel und der Nachbar angehörten und der durch Verrat in seinem Versteck aufgefunden wurde. Er wurde in ein Konzentrationslager ganz in der Nähe seines Wohnortes deportiert,  überlebte jedoch die Qualen des Arbeitsdienstes. Doch zu keinem seiner Freunde nahm er nach dem Krieg jemals wieder Kontakt auf. 
Erst die Erinnerungsarbeit der seltsamen Frau in seinem Haus und des Nachbars, lässt Kurt Weber tiefer und tiefer in eine Geschichte von Freundschaft, Liebe und Verrat eintauchen, die wie ein Albtraum auf seiner Seele lastet.
Alois Hotschnig hat mit "Ludwigs Zimmer" einen außergewöhnlichen Roman geschrieben, der jedoch nicht nur aufgrund seines Themas besticht, sondern dessen geschliffene und intensive Sprache, eine ungeheure Wirkung auf den Leser ausübt. Er versteht es vortrefflich, das Bedrückende, Albtraumhafte des Romans in Worte und sprachliche Bilder zu fassen, die genau diese bedrückende Stimmung der schmerzhaften Erinnerungsarbeit widerspiegeln. In magischen Bildern lässt der Autor seinen Protagonisten nahezu surreale Welten durchschreiten, die einem beim Lesen gefangen nehmen und zugleich irritieren. 
Ein verstörendes und ob seines brillanten Stils beeindruckendes Buch.
© Torsten Seewitz, 05.12.2002

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