Sayed Kashua
"Tanzende Araber"
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
Berlin Verlag Berlin 2002
279 S., 19,90 Euro
Als Sayed Kashuas Debütroman in Israel
erscheint, sorgte es für Aufregung unter den Intellektuellen. Zum einen, weil
sich seit langer Zeit wieder ein arabischer Israeli mit einem Prosatext zu Wort
meldete, zum anderen, weil er schonungslos das Leben dieser Minderheit im
israelischen Staat beschreibt. Obgleich die Verfassung des Landes die
Gleichstellung mit den jüdischen Staatsbürgern garantiert,
beherrschen Ungleichbehandlung und Diskriminierung den Alltag. Diesen
Umstand macht Kashua zum Leitmotiv seines Romans, der sich monologisierend
seiner Kindheit und Jugend erinnert.
Als Kind spürte er dieses Anderssein noch nicht, da die Einwohner seines Dorfes
Araber waren. Aber spätestens, als er einen der begehrten Plätze in einem
israelischen Eliteinternat erhielt, spürte er erstmals die neue, andere
Welt.
Dort war er der einzige Araber in seiner Alterstufe und bemerkte so recht schnell
die kulturellen Unterschiede zu seinen jüdischen Mitschülern, angefangen bei
der Kleidung oder den Tischsitten.
Zum Glück, lies seine Physiognomie wenig auf seine Abstammung schließen, so
dass es ihm leichter fiel, nicht aufzufallen. Nicht den Stolz seiner Eltern und
Großeltern im Herz tragend Araber zu sein, sondern Assimilierung, zu einem Teil
der Masse, der Mehrheit zu werden, bestimmt fortan sein Leben. Immer mehr
verliert er äußerlich betrachtet seine wahre Identität, gerät aber mehr und
mehr in ambivalente Situationen, vor allem bei seinen Besuchen im Elternhaus.
Sein Großvater wird als Held verehrt, weil er 1948 beim im Sechstagekrieg ums
Leben kam und sein Vater gehörte einer militanten Organisation an, die ein
Attentat auf die Universität von Tel Aviv durchgeführt haben soll. Nach den
Wünschen seines Vaters, sollte sein Sohn Pilot werden oder der erste Araber,
der eine Atombombe baut. Doch er kann und will die Erwartungen nicht erfüllen,
wie auch seine Brüder, die alle ihren eigenen Weg, fernab der Traditionen der
Elterngeneration, gegangen sind.
"Tanzende Araber" erzählt auf sehr eindringliche Weise, von den
Schwierigkeiten als Angehöriger einer Minderheit anerkannt zu werden. Doch
zumeist gelingt dies nur um den Preis, seine wahre Identität aufzugeben und
sich anzupassen.
Leider wird der Roman zum Ende hin schwächer, die erzählerische Dichte und
Spannung verlieren sich in der Beschreibung der missglückten Ehe des
Ich-Erzählers.
Dennoch hat Sayed Kashua einen überaus lesenswerten Roman verfasst, der dem
Leser einen interessanten Einblick in einen Teil des israelischen Alltags
verschafft, der vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzungen mit dem
palästinensischen Volk, eine neue Dimension gewinnt. ©Torsten Seewitz,
2.10.2002
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