Radek Knapp
"Papiertiger"
Piper Verlag München
2003
148 S.; 14,90
Walerian
Gugania, der Held aus Radek Knapps neuer Geschichte "Papiertiger",
hat bereits alles an Tätigkeiten gemacht, was der Arbeitsmarkt hergab.
Die richtige Erfüllung bot keiner der Berufe, ob es nun die Arbeit als
Krankenpfleger oder die als Wächter eines Paviangeheges war.
Schließlich versuchte es Walerian mit dem Studium der Astronomie, doch als ihm
die Vorlesungen zu mathematisch wurden, brach er auch diesen Versuch ab.
Wie sollte man es da anders als Zufall nennen, als just im Moment einer
beruflichen Neuorientierung, im hiesigen Lokalblatt die Stelle eines
Molekularbiologen ohne Berufserfahrung inseriert wurde.
Nun sah Walerian seine Gelegenheit gekommen, um in den Himmel der ewig
Erfolgreichen aufzusteigen, doch das Bewerbungsgespräch verlief alles andere
als erfolgreich. Fast hatte es den Eindruck, als suche dieses Institut ein
menschliches Versuchsobjekt. Nun, dies war Walerian dann doch zu heikel. Statt
in den Wissenschaftshimmel aufzusteigen nutzte er zu Beginn der Weihnachtszeit
das Angebot der Firma "Schenken von Oben", um als Weihnachtsengel die
Menschen zu beglücken, die gleich ihm die Feiertage nicht zusammen mit den
Eltern vor dem Fernseher verbringen wollten.
Man muss es einfach genießen, wie Radek Knapp seinen glücklosen Protagonisten
von einer hoffnungslosen Episode zur nächsten stolpern lässt. Wie bereits in
"Herrn Kukas Empfehlungen" zeigt sich auch in "Papiertiger"
Knapps ungemeines Gespür für Situationskomik. Mit messerscharfem Blick seziert
er die Scheinwelt unserer Tage, blickt hinter die Kulissen unseres Alltags, in
dem gern alles Unschöne verborgen bleiben soll.
Die Tragikomik des Buches wird besonders deutlich in jenen Episoden, in denen
Knapp den vermeintlichen Erfolg Walerians als Schriftsteller schildert. Völlig
unerwartet gewann dieser den Hauptpreis eines Wettbewerbes, den der
erfolgreichste deutsche Verlag ausgeschrieben hatte. Dass er sein Manuskript als
"Resultat der erstklassigen Zusammenarbeit zwischen drei männlichen
Parkinsonpatienten und einer Patientin namens Wilhelmine Rafler, die auch
Schriftstellerin war" während seiner Arbeit als Krankenpfleger in einem
Altenheim entstand, interessierte niemanden wirklich. Einzig der
Vermarktungswert seines Erfolges zählte. So wird Walerian auf eine Lesereise
durch die deutsche Provinz geschickt, die mit einer depressiven Verstimmung des
Jungautors endete.
Die Lichtseite des Erfolgs hatte eben auch ihre Schattenseiten. Vielleicht
sollte sich Walerian doch wieder nach einem neuen Job umsehen?
Radek Knapp bescheinigt mit "Papiertiger" einmal mehr, dass er zu den
hoffnungsvollsten Stimmen der jungen deutschsprachigen Literatur zählt. Torsten
Seewitz, 22.07.2003