Michael Köhlmeier
"Der Tag, an dem Emilio Zanetti berühmt war"
Deuticke Verlag Wien 2002
150 S., 12,90 Euro

Niemand in dem kleinen Ort Hohenems wusste genau, wieso Emilio Zanetti Herrn Manal eines Abends auflauerte und brutal zusammenschlug. Bis zu diesem Tag war Zanetti nicht sonderlich aufgefallen. Im Gegenteil, er war beliebt und konnte sich über fehlende Kundschaft in seiner Werkstatt nicht beklagen. 
Sicher hatte er seine Eigenarten, doch die besaßen andere auch. Weitaus weniger wohlwollend dachten die Leute über Herrn Manal, einem Steuerberater. Sie schätzten ihn gemeinhin als überheblich und ungesellig ein.  Doch erklärt diese Antipathie wenig den Wutausbruch
Zanettis, der als ihn die Polizei verhaften wollte, mit einem Fahrrad vor ihnen floh und verzweifelt auf einem Hochspannungsmasten Schutz vor seinen Verfolgern suchte. Es dauerte nicht lange und der gesamte Ort versammelte sich auf dem Feld, um Zanetti zu sehen. Sämtliche Versuche, ihn zum Absteigen zu bewegen, schlugen fehl. Einzig der Ich-Erzähler der Novelle schaffte es, zu Zanetti heraufzusteigen, um ihm ein Kissen und Verpflegung zu bringen. 
Währenddessen überschlug sich die schaulustige Menge mit Spekulationen, ob Zanetti springen oder herunterkommen würde. 
Michael Köhlmeier lässt seine Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht,  einen zehnjährigen Jungen erzählen. Im Laufe der Handlung stellt sich heraus, dass er Zanetti als großen Freund ansah und ihm gelegentlich in seiner Werkstatt half. 
Und irgendetwas schien sich an diesem Tag, hervorgerufen durch die unerwarteten Ereignisse, in der Welt des jungen Erzählers verändert zu haben. Plötzlich war da die Welt der Erwachsenen mit ihren Problemen und Unwägbarkeiten, die er so bislang nicht erlebt hat. Alle Hoffnungen, die er in Zanetti setzte, die Illusion, in ihm einen Freund gefunden zu haben, zerplatzten wie eine Seifenblase. 
Michael Köhlmeier erzählt seine Geschichte auf unprätentiöse Weise, fast wie einen Bericht, der nur am Rande Einblicke in den kleinen Kosmos der Gemeinde Hohenems und in die Gefühlswelt eines Heranwachsenden gibt. Vielleicht liegt hier die Schwäche, des als Novelle bezeichneten Buches, denn es lässt einem nach dem Lesen relativ ratlos zurück, sich fragend, weshalb der Autor der Meinung war, diese Geschichte einem größeren Publikum erzählen zu müssen. ©Torsten Seewitz, 14.08.2002

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