Tim Krohn
"Irinas Buch der leichtfertigen Liebe"
List Taschenbuchverlag München 2002
170 S., 7,95 Euro
In der Schweiz arrivierte sein letzter Roman
"Quatemberkinder" zum Kultbuch und auch der vorliegende Briefroman
"Irinas Buch der leichtfertigen Liebe" hat beste Aussichten, diesen
Status zu erreichen.
Auf einer Lesereise lernte der Autor die reizvolle Exilrussin Irina Jurijewna
kennen, die ihn, darf man den als eine Art Vorwort zu verstehenden Brief an
seinen Verleger Glauben schenken, dazu animierte, ihr eine Geschichte zu
versprechen. Seither schreibt er Tag für Tag einige Seiten, neunzehn Nächte,
um genau zu sein, die er Irina per Fax zukommen lässt. Sie wiederum bewertet
das Geschriebene und entscheidet, wie sich die Handlung entwickeln soll.
Soweit der überaus originelle Einstieg in
den ersten Handlungsstrang.
Etwas komplexer gestaltet sich hingegen Irinas Roman, einer Geschichte um Liebe
und Eifersucht, Streit und Versöhnung. Was hier nach großen Gefühlen klingt,
die jedem Groschenroman als Vorlage genügen könnten, entfaltet sich im Laufe
der Handlung als eine bezaubernde Erzählung um die Liebe im Allgemeinen und die
geheimen Sehnsüchte und Träume, die verletzten Eitelkeiten und das Wunder der
Versöhnung im Besonderen.
Worum geht es nun in Irinas Buch der leichtfertigen Liebe?
Als die Schwedin Ewa nach einem Ausflug erschöpft nach Hause kommt, findet sie
in ihrem Faxgerät eine Nachricht einer ihr unbekannten Frau an einen Mann, der
ihr aus ferner Vergangenheit bekannt vorkam.
Diese ihr unbekannte Frau heißt Dunja und lebt in Paris. Ihren Mann Ira
vermissend, schreibt sie ihm lange sehnsuchtsvolle Liebesbriefe. Dessen
Zerstreutheit und Unvorsichtigkeit
geschuldet, erreichen ihn diese Briefe jedoch nicht, sondern gelangen an das
Faxgerät Ewas, die wiederum erfreut ob dieser intimen Einblicke in das Lebens
ihres Exgeliebten.
Diese Verwicklungen sind jedoch erst der Anfang. Immer neue Personen bevölkern
Irinas Roman, deren Phantasie keine Grenzen zu kennen scheint und Tim, der
manchmal auch ungeduldig nachfragende Autor, folgt ihren Gedanken manchmal
missmutig, zumeist aber bereitwillig.
Fast noch amüsanter als die erotischen Verwirrspiele des Romans im Roman, ist
der Fax-Briefwechsel zwischen dem Autor und der russischen Schönheit Irina. Nur
selten wird die Nachricht des einen vom anderen kommentarlos hingenommen. So
bemängelt Irina nur allzu gern die Eigenmächtigkeiten ihres
"Ghostwriters" und versucht ihn liebevoll aber bestimmt an ihre
Abmachung zu erinnern.
Dass sich am Ende alles zum Guten wendet, liegt auf der Hand. Doch hinterlässt
Tim Krohns Roman sehr ambivalentes Gefühl, denn Gewissweit, dass sich all die
Verwicklungen aufgelöst haben, erhält der Leser nicht. ©Torsten Seewitz,
29.09.2002