Leon Uris
„Exodus“
Heyne Verlag, 13. Aufl. 2006
840 S., 9,95 €

Im Sommer letzten Jahres begann mit den Hisbollah-Angriffen auf Israel ein neues Kapitel des Dauerthemas „Nahost-Konflikt“. Trotz des Beschlusses der UN-Vollversammlung im November 1947, in dem der Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zugestimmt wurde, haben sich die Nachbarstaaten bis heute nicht mit der Existenz Israels abgefunden. Seit damals beobachtet die NATO mit Sorge die ständig neu aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen. Zur Friedenssicherung hat sie dieses Mal internationale Truppen  - unter Beteiligung der Bundeswehr – in die Krisenregion entsandt. In meinem Bekanntenkreis wurde wieder und wieder über Recht und Moral der Israelis und ihrer arabischen Nachbarn diskutiert. Seit der von Hitler verordneten  „Endlösung der Judenfrage“ und der nachhaltigen Veröffentlichung deutscher Schuld vermag kaum ein Thema deutsche Gemüter mehr zu verunsichern. Klare Standpunkte sind selten. „Man“ möchte weder als Judenfreund, noch als Antisemit gelten. Als ich vor vielen Jahren das 1958 erschienene historische Epos „Exodus“ von Leon Uris las, wurde ich zu einer überzeugten Sympathisantin. Inzwischen hatte ich jedoch vieles vergessen und konnte meine Sympathie nicht mehr argumentativ begründen. In meiner Buchhandlung erfuhr ich, dass ich nicht die einzige war, die aufgrund der aktuellen Kämpfe im Nahen Ostern „Exodus“ kaufen wollte. Der Nachfrageboom machte eine Neuauflage - die einige Wochen später erschien – erforderlich. Und wieder ließ mich das Buch viele Tage lang nicht los.
Erzählt wird der lange mühsame Weg der Juden bis zur Errichtung eines eigenen Staates in Palästina. „Exodus“ hat eine doppelte Bedeutung. Es meint zum einen den (bereits im 18. Jahrhundert begonnenen) Auszug jüdischer Bevölkerungsgruppen aus ihren Heimatländern (vor allem solchen in Osteuropa). Gleichzeitig ist „Exodus“ der von Uris erfundene Name eines Immigrantenschiffs, dessen Fahrt nach Palästina von dem Haupthelden des Buches,  Ari Ben Kanaan, trotz der britischen Einwanderungs-Blockade erzwungen wird. Es gehört zu den dramatischen Höhepunkten des Buches, wie es Ari gelingt, im Jahr 1947 hinter dem Rücken der englischen Militäradministration hunderte Kinder, die den Holocaust überlebt haben, aus einem zypriotischen Internierungslager auf das Schiff zu schmuggeln und sie unter Einbeziehung der Weltöffentlichkeit ans Ziel zu bringen.
Nach der nochmaligen Lektüre weiß ich nun wieder, dass die Araber gern bereit waren, ihr unfruchtbares Land den jüdischen Siedlern zu verkaufen. Und als es denen in mühsamer Kollektivarbeit schließlich gelang, „blühende Landschaften“ zu schaffen, mussten sie sich gegen die permanenten Überfälle der Araber zur Wehr setzen. Die Mehrheit der Israelis war nicht mehr dazu bereit, ihre Vertreibung und Vernichtung in Schicksalsergebenheit hinzunehmen - so wie das ihre Vorfahren seit Jahrtausenden getan hatten. Der von Uris präsentierte neue jüdische Sozialcharakter, der sich auf das 2. Buch Mosis berufen kann: „… Auge um Auge, Zahn um Zahn“, löste bei einer nicht davon Betroffenen wie mir Bewunderung und Respekt aus.
Was der jüdisch-amerikanische Autor an historischen Fakten und biographischen Recherchen zusammengetragen und anhand (nach-)erfundener Lebensläufe in Handlung umgesetzt hat, liest sich wie eine Mischung aus Reportage und Kriminalroman. „Exodus“ wurde in 50 Sprachen übersetzt und kann als Riesenerfolg gelten. Kritiker haben dem Autor historische Ungenauigkeiten und anti-arabischen Rassismus vorgeworfen. Das mag richtig sein. Doch mir ist ein spannend geschriebenes, parteiliches Buch lieber als z.B. die historisch korrekt recherchierte aber verwirrend und ermüdend geschriebene Ariel Scharon-Biographie von Gadi Blum und Nir Hefez (Hoffmann und Campe, 2006), die zeitlich an „Exodus“ anknüpft. Erika Pillardy, 9. Jan. 2007


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