Sandor Marai
"Die jungen Rebellen"
Aus dem Ungarischen von Ernö Zeltner
Piper Verlag München 2001
277 Seiten, 18,90 Euro

Die Wiederentdeckung der Werke Sandor Marais gehört bei all der jährlich einströmenden Bücherflut zu den glücklichen Umständen, die vor allem beweisen, dass es noch immer literarische Schätze zu bergen gibt. Wurde Marai in Deutschland noch in den 50er Jahren verlegt, so nahm das Interesse an seinen Büchern in den Folgezeit spürbar ab.
Vor allem dem kleinen aber engagierten Oberbaum Verlag ist es zu verdanken, dass der Autor nicht ganz in Vergessenheit geriet. Doch erst die Neuausgabe des Romans "Die Glut" im Piper Verlag zog eine wahrhaftige Renaissance nach sich, in deren Folge Werke wie "Das Vermächtnis der Esther", "Land, Land" oder die "Bekenntnisse eines Bürgers" erschienen. Nun legt der Piper Verlag mit "Die jungen Rebellen" (1930) ein Frühwerk Marais vor und erbringt gleichzeitig den Beweis für die frühe Meisterschaft des zu Unrecht Vergessenen.
Vor allem autobiographisch beeinflusst, fängt Marai in seinem Roman die morbid düstere Stimmung zur Zeit des 1.Weltkrieges im kleinen Städtchen Kaschau ein.
Es sind dies Bilder einer längst vergessenen Zeit, einer Zeit des Erwachsenwerdens im Angesicht des Krieges, in der die Jugend ihren Platz auf dem Schlachtfeld findet.
Abel, der Sohn eines Arztes, liegt, noch umnebelt vom Alkohol und Zigarettendunst, erwachend im Bett. Es ist noch nicht lang her, als seine Freunde bei ihm waren, um ihren Schulabschluss zu feiern, Karten zu spielen und ihre Freiheit zu genießen. In ihren Familien gibt es keinen Halt mehr; die Väter kämpfen an der Front und ihre Mütter grämen sich aus Sorge um den Liebsten. Sie verbündet das gleiche Schicksal, egal ob es der schöne Tibor mit seinem kriegsversehrten Bruder Lajos oder Ernö, der Sohn des Schusters, ist. Sie suchen nach dem Sinn des Lebens, bauen sich ihre eigene trügerische Welt auf, um den Schmerz des Erwachsenwerdens und die grausame Realität zu vergessen.
Nur anderthalb Tage dauert die Handlung, doch versteht es Marai vortrefflich, die Erinnerungen an Vergangenes kunstvoll mit gegenwärtigem Geschehen zu verweben. So entsteht vor dem inneren Auge des Lesers eine in eindringlichen sprachlichen Bildern gezeichnete Welt, die die Ängste der Heranwachsenden vor der blutrünstigen Kriegswelt förmlich spürbar macht. Sie beginnen Geld zu stehlen, kaufen sich langersehnte Sachen, ein Preis der letzten Endes allen teuer zu stehen kommt. Einzig das Vertrauen ineinander und zu einem gescheiterten Provinzschauspieler lässt die sie Trostlosigkeit der Zukunft vergessen. Doch zerbricht das Idyll als sie entdecken, dass einer von ihnen nicht mit offenen Karten spielt.
Mit "Die jungen Rebellen" hat Sandor Marai eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er bereits sehr früh ein feines Gespür für menschliche Stimmungen entwickelte, die er meisterhaft in Worte zu kleiden vermochte. ©Torsten Seewitz, 04.11.2001

www.fragmentum.de