Paola Mastrocola
"Das fliegende Huhn"
Aus dem Italienischen von Sylvia Höfer
C. H. Beck 2001
223 Seiten, 18,50 €


Manche Menschen züchten Rosen, andere wiederum bauen Modellflugzeuge, wieder andere starren stundenlang gebannt auf den Computermonitor, um die freie Zeit des Tages, wie sie
meinen,  möglichst sinnvoll zu verbringen. Es gibt aber auch Zeitgenossen, die versuchen Hühnern das Fliegen beizubringen. Als wäre dieser Umstand nicht schon komisch genug, bemühen sich diese Mitmenschen auch noch, sich für ihre Leistungen auf internationalen Hühnerkongressen prämieren zu lassen.
Absurd mag mancher Leser meinen, doch meint es Paola Mastrocola ernst mit ihrem bei C. H. Beck erschienenen Debütroman "Das fliegende Huhn". Na ja, so ganz ernst nun doch wieder nicht. Eigentlich karikiert sie ununterbrochen die Verheißungen der modernen Welt, in der die Sehnsucht nach menschlicher Wärme und Geborgenheit der Sehnsucht des Computerzeitalters nach weltweiter Kommunikation gewichen ist.
Als wäre das Leben als Lehrerin in der italienischen Provinz nicht schon frustrierend genug, steht Carla mit ihrer Sicht auf die auf die Welt so ziemlich allein da.
Zuhause sitzt ihr Ehemann Mario stundenlang vor dem Computer und versucht diesem verzweifelt die letzten Rätsel seines Betriebssystems zu entreißen. Die Kinder gehen mittlerweile ihre eigenen Wege. Was liegt da näher, als dass sich Carla nach einem anstrengenden und frustrierenden Schultag ihren Hühnern zuwendet. Wenigstens die hören ihr zu, blinzeln sie vertraut mit ihrem linken Auge an und warten begierig auf ihr Futter.
Eines nachts erwacht Carla aus einem Traum und ihr Entschluss steht fest: "Ich will etwas, ich lebe nicht nur so dahin. [...] Es muss mir gelingen, einem Huhn das Fliegen beizubringen."
Fortan vergeht kein Tag, ohne dass Carla nicht eine abenteuerliche Konstruktion entwirft, die ihre Hühnern zum Fliegen animieren soll.
Dass dieses Ansinnen Carlas nicht unbedingt auf die Akzeptanz ihrer Mitmenschen stößt, liegt nur allzu nahe. Vor allem die Eltern ihrer Schüler und ihre Kollegen betrachten ihren Einsatz für die Hühner mit Argwohn. Doch Carla lässt sich nicht beirren. Bei all dem Wahnsinn auf der Welt zählt ihr Ansinnen wohl zu den kleineren Übeln.
Mastrocolas Roman zu lesen, ist eine Wohltat. Neben der ironischen Schilderung des Schulalltags in der italienischen Provinz, steckt ihr Buch voller Lebensweisheiten und so ganz nebenbei kann sich der Leser auch ein wenig in Literaturgeschichte bilden. ©Torsten Seewitz, 31.10.2001

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