William Maxwell 
"Sie kamen wie die Schwalben"

Aus dem Amerikanischen von Dora Winkler
Zsolnay Verlag München Wien 2001
199 Seiten, 17,90 €

Wie umgehen mit dem Verlust eines geliebten Menschen, der schmerzlicher nicht sein könnte? Dieser Frage spürt William Maxwell in seinem, zum Teil in der eigenen Biographie begründeten und 1937 veröffentlichten Roman "Sie kamen wie die Schwalben" auf äußerst feinfühlige Weise nach. Die konkreten Beweggründe seines Schreibens erläutert Maxwell in einem Vorwort, indem er auf den frühen Tod seiner Mutter verweist und somit indirekt den Verlauf der Handlung vorwegnimmt. Nicht zum Nachteil, wie ich finde, denn interessant ist die äußerst sensible Beschreibung der Befindlichkeiten, das Erleben des Todes der vergötterten Mutter, aus der Perspektive ihrer beiden Söhne Bunny und Robert, sowie des Ehemanns. Maxwell zeichnet mit Hilfe von drei kunstvoll angeordneten Erzählebenen das eindringliche Portrait einer Frau, deren ganze Liebe ihrer Familie galt. 
Bunny, der Jüngere der Geschwister, lässt keine Gelegenheit aus, um in der Nähe seiner Mutter zu sein. Robert, der Ältere, hingegen ist froh, wenn er an einem Footballspiel teilnehmen kann, obgleich er seit einem Unfall eine Beinprothese tragen muss. Je gegensätzlicher die Brüder in ihrem Wesen sind, desto ähnlicher empfinden sie jedoch die Liebe zu ihrer Mutter. Als diese, mit einem dritten Kind schwanger, mit ihrem Ehemann in eine entferntere Stadt zur Entbindung fahren muss, ahnt noch keiner die schrecklichen Folgen dieser verhängnisvollen Reise, denn im Land wütet die Spanische Grippe. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen erkrankt die Mutter und stirbt kurze Zeit nach der Entbindung des dritten Sohnes. Für Bunny und Robert zerbricht mit einem Mal die behütete Welt der Kindheit. Ihren Vater plagen hingegen Selbstvorwürfe, durch Leichtsinn am Tod seiner Frau Schuld zu sein. Halt gibt allen nur die Erinnerung an den geliebten Menschen. 
Beeindruckend an diesem frühen Roman William Maxwells ist die authentische Abbildung der Gefühlswelt seiner Protagonisten; nicht plakativ und klischeehaft, sondern sensibel und mitfühlend. Sicher ist seine Haltung in eigenen, traumatischen Erlebnissen begründet (siehe oben erwähntes Vorwort), doch hat sich der Autor diesen Stil auch in seinen späteren Romanen bewahrt, getreu dem Motto, von der unaufhaltsamen Zerstörung von Liebe, Beziehungen und Glück zu erzählen.
"Sie kamen wie die Schwalben" ist ein äußerst empfehlenswerter Roman, der Lust macht auf die Lektüre weiterer Romane William Maxwells, einem großen und leider unterschätzten Schriftsteller Amerikas. ©Torsten Seewitz, 30.04.2001

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